Nach Niederlage bei Lazio Rom: Ist der Fluch von Harry Kane zum FC Bayern umgezogen?

München - Also, doch wieder alles beim Alten. Nicht für den FC Bayern, sondern für Harry Kane. Vor genau einem Jahr, am 14. Februar 2023 unterlag der Engländer mit Tottenham ebenfalls 0:1 im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals bei einer italienischen Mannschaft, allerdings nicht Lazio sondern der AC Mailand. Parallel gewannen die Münchner Nagelsmänner 1:0 in Paris.

Als beide zueinanderfanden, schien es die perfekte Beziehung werden zu können. Mit einem Plakat am Filmtheater Sendlinger Tor wurde der Wechsel zelebriert. Das allein zeigt die Größenordnung. Bislang hatte der Rekordmeister Transfers, die der 100-Millionen-Euro-Grenze nahe kamen, gekonnt umschifft. Für Kane aber machte der Klub eine Ausnahme.
Droht Harry Kane mit dem FC Bayern erneut eine titellose Saison?
Nach einem Jahr mit viel Hin und Her im Angriff, als Aushilfsstürmer Eric Maxim Choupo-Moting plötzlich zum Stammspieler wurde, hatte der FC Bayern endlich seinen Lewandowski-Nachfolger gefunden und Kane selbst spielte bei einer Mannschaft, die nicht mehr nur konkurrenzfähig sein wollte, sondern tatsächlich den Takt vorgab. Beiderseitig herrschte der Konsens: Das ist die Saison. Die Saison, in der Kane endlich den größten Makel seiner Karriere behebt und Titel gewinnt.

Die Vorfreude überwies sich zwar als sturmfest genug, um den Herbst zu überstehen. Phasenweise schien es, als sei es nur eine Frage, ob der 30-Jährige am 27. oder doch dem 31. Spieltag sein 42. Saisontor erzielt und den Lewandowski-Rekord überbietet. Dazu trug Kane auch noch zum Spielaufbau aus dem offensiven Mittelfeld heraus bei.
Seit der Winterpause jedoch wirkt der Angriff des FC Bayern stumpf. Und damit auch Kane. In drei der sieben Spiele blieb der Rekordmeister torlos. Durch die 0:3-Niederlage in Leverkusen ist der Rückstand auf die Tabellenführung auf fünf Zähler angewachsen. Dazu kommt die Pokalblamage in Saarbrücken (1:2) sowie das jüngste 0:1 bei Lazio in der Champions League.
Harry Kane geht auch in Leverkusen und gegen Lazio unter
Natürlich ist es noch zu früh, bereits im Februar final über die Saison der Münchner zu richten. "Wir sind in einer schwierigen Situation. Daran besteht kein Zweifel", betonte Kane selbst nach dem Spiel in Rom. "Wir sind aber noch nicht raus und wir werden niemals aufgeben. Ein Funke kann vieles verändern und wir werden versuchen, diesen zu finden." Ein 0:1 zu biegen ist vor eigenem Publikum mehr als möglich und auch Bayer Leverkusen wird ab März die komplette Würze der Dreifachbelastung auf den Teller bekommen, wenn die Gegner in der Europa League nicht mehr Qarabag, Molde und BK Häcken heißen, sondern Liverpool, Milan, Benfica oder Villarreal.
Und dennoch reiht sich die aktuelle Lage perfekt in die Karriere des Harry Edward Kane, Member of the British Empire, ein. 24 Tore in 21 Bundesligaspielen. Aber sowohl er, als auch die Bayern-Bosse wissen genau, dass die 100 Millionen Euro im Sommer nicht an Tottenham gingen, um Gegner wie den VfL Bochum (7:0), Darmstadt 98 (8:0) oder den 1. FC Heidenheim (4:2) zu bezwingen.

Sondern um jetzt, in der entscheidenden Phase der Saison, im Spätwinter und Frühjahr, den Unterschied auszumachen. Auch dann zu glänzen, wenn alle anderen um ihn herum verblassen. In den ersten beiden Versuchen ging Kane noch leer aus. 18 Ballkontakte gab es für ihn in Leverkusen, deren 31 bei Lazio.
Auch als Spielmacher konnte Kane seinem Team in den vergangenen 180 Minuten zu lediglich einem Schuss aufs Tor verhelfen, den Noussair Mazraoui in Leverkusen eher harmlos aus der Distanz abgab.
Viele Tore, keine Titel? Antonio Conte sieht dennoch eine Weiterentwicklung
Antonio Conte, der Kane in der vergangenen Saison bei Tottenham trainierte, mahnt zu Geduld und sieht bereits eine Weiterentwicklung: "Die Möglichkeit für Bayern München zu spielen, hat ihn verbessert. Ich glaube er musste dorthin gehen, um sich zu verändern, einen anderen Klub, eine andere Mentalität, eine andere Situation zu finden", erklärt der Italiener. "Er verdient es, Titel zu gewinnen. Wir sprechen über einen der besten Stürmer der Welt und einer der besten Spieler, mit denen ich jemals gearbeitet habe."

Besonders die letzten beiden Sätze bringen die Diskrepanz in Kanes Karriere auf den Punkt. Rekordtorschütze von Tottenham und der englischen Nationalmannschaft auf der einen Seite. Andererseits fehlen dem Angreifer die ganz großen, spiel- und saisonentscheidenden Momente. Zwar stand Kane mit Tottenham 2019 bereits im Champions-League-Finale gegen Liverpool. Die Schlagzeilen auf dem Weg dorthin schrieben jedoch Heung-min Son, Fernando Llorente und Lucas Moura. Kane fehlte verletzt. Als er im Finale spielte, sah er physisch gegen Virgil van Dijk kein Land. Tottenham unterlag 0:2.
Erfüllt sich Kanes Wembley-Traum doch noch?
Diese Geschichte ließe sich auch in der Nationalmannschaft um die Kapitel EM-Finale 2021 (3:4 n.E. gegen Italien) oder dem vergangenen WM-Viertelfinale gegen Frankreich (1:2) erweitern, als Kane zwar einen Elfmeter verwandelte, bei der nächsten französischen Führung in Minute 84 jedoch vom Punkt vergab. Natürlich wäre es vermessen, seine Karriere einzig daran zu beurteilen. Dennoch gibt es einige Kritiker, die nach diesem Narrativ argumentieren.
"Ein Traum" sei es für Kane, das Champions-League-Finale am 1. Juni in Wembley zu spielen, "in London, in meinem Stadion als Nationalspieler". Vorerst stehen der FC Bayern und er wieder dort, wo auch Tottenham 2023 stand. Beide werden inständig hoffen, dass für Kane diesmal nicht alles beim Alten bleibt.