Interview

Klaus Augenthaler verrät: Das kann man in seiner neuen Biografie nicht lesen

Vor Kurzem hat Bayern-Legende Klaus Augenthaler eine neue Biografie mit dem Titel "Immer nur rot-weiß gedacht" veröffentlicht. Im Interview mit der AZ verrät der 67-Jährige, was er nicht ins Werk geschrieben hat.
Kilian Kreitmair
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Blieb dem FC Bayern in seiner gesamten Spielerkarriere treu: Klaus Augenthaler.
Blieb dem FC Bayern in seiner gesamten Spielerkarriere treu: Klaus Augenthaler. © IMAGO

München - Klaus Augenthaler und der FC Bayern gehören einfach zusammen. Der einstige Libero spielte zwischen 1976 und 1991 für den Rekordmeister. In dieser Zeit gewann er sieben Mal die Meisterschaft und dreimal den DFB-Pokal. Auch darf sich Augenthaler Weltmeister nennen.

Augenthaler trat zweimal aus der Nationalmannschaft zurück

AZ: Herr Augenthaler, auf 264 Seiten kann man in Ihrer neuen Biografie alles über Ihre Karriere nachlesen. Was haben Sie rausgelassen?
KLAUS AUGENTHALER: Ich hätte gerne die Champions League gewonnen. In meiner Zeit als Spieler sind wir international immer weit gekommen, aber leider haben wir das Finale nie gewonnen.

Sie haben sich für den Titel "Immer nur rot-weiß gedacht" entschieden. Was hat es damit auf sich?
Das war die Idee von Autor Albrecht Breitschuh, weil ich nur 27 Länderspiele habe. In meiner Zeit beim FC Bayern war es sicherlich ein Ziel, Nationalspieler zu werden. Trotzdem war mir der FC Bayern immer wichtiger als die Nationalmannschaft. Ich bin unter Jupp Derwall und Franz Beckenbauer auch zweimal aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. In der Zeit von Jupp Derwall kamen vor einem Freundschaftsspiel in Hannover viele Nationalspieler von den Olympischen Spielen aus Los Angeles zurück. Trotzdem wurde ich in diesem Spiel erst 20 Minuten vor Schluss als Linksverteidiger eingewechselt. Das wollte ich mir nicht nochmal antun.

Bayern-Legende: "Du darfst nicht vor Ehrfurcht vor den erfahrenen Spielern einen Knicks machen"

Weltmeister von 1990 dürfen Sie sich trotzdem nennen.
Man muss dazu sagen: Ich war die Nummer 25 im WM-Kader 1986 in Mexiko. Franz Beckenbauer hatte mich gerade so noch mitgenommen. Vor dem ersten Pflichtspiel kam Franz zu mir aufs Zimmer und fragte mich: Bursche, wie fit bist du? Mir geht es gut, sagte ich. Dann meinte er, dass ich morgen spiele. Ich meinte dann nur: Franz, das hättest du mir auch früher sagen können, dann hätte ich mich entsprechend vorbereiten können. Letztlich hatte ich bei der WM aber das Pech, dass ich am zweiten Spieltag verletzt wurde.

Das erste Kapitel trägt den Namen: Du musst dich wehren. Ist es diese Einstellung, die es braucht, um nach einem Wechsel zum FC Bayern zu bestehen?
Diese Einstellung braucht es nicht nur, um beim FC Bayern zu bestehen. Wenn du als 17- oder 18-Jähriger zu einem Bundesligaverein wechselst und vor lauter Ehrfurcht vor den erfahrenen Spieler einen Knicks machst, hast du im Profibereich nichts verloren.

Nicht nur in der Abwehr eine Bank: Klaus Augenthaler hatte einen guten Abschluss.
Nicht nur in der Abwehr eine Bank: Klaus Augenthaler hatte einen guten Abschluss. © IMAGO

Augenthaler setzte sich beim FC Bayern gegen Kapellmann durch

Ihr Herausforderer hieß damals Jupp Kapellmann, der zu dem Zeitpunkt schon Nationalspieler war. Was brauchte es in Ihrem Fall neben dieser Einstellung, um Stammspieler zu werden?

Einzig und allein die Leistung zählt. Ich habe mich nie gehen lassen. Aber ich hatte schon Ehrfurcht am Anfang. Trainer Dettmar Kramer hatte zu mir in den ersten Wochen gesagt, wenn du so spielst, dann hast du keine Chance. Selbst Co-Trainer Werner Olk, der mich gesichtet hatte, hat gesagt: Klaus, du musst dich jetzt schon wehren. Du musst nicht jeden umhauen, aber auch nicht vor Ehrfurcht erstarren.

Haben Sie sich die Kritik persönlich genommen?
Ja, das habe ich mir schon persönlich genommen (lacht). Als ich den Ratschlag bekam, ich soll den Ellenbogen ausfahren, habe ich in einem Trainingsspiel den Jupp Kappellmann umgehauen. Der hat mich auch oft geärgert und zu jungen Spielern sowas gesagt wie: Jetzt lern erstmal richtig bayerisch oder lern erstmal mit Messer und Gabel essen. Als ich ihn dann im Training gepackt habe, hatte ich sofort Befürchtungen und bekam einen roten Kopf.  Ich habe mich dann umgeschaut zu Werner Olk. Der hat dann den Daumen gehoben.

Matthäus war einer der ersten Spieler mit Berater


Sie wurden später auch Kapitän des FC Bayern. Einen Berater hatten Sie nicht. Warum?

Damals war es nicht üblich, dass Spieler einen Berater hatten. Der Erste, der einen Berater hatte, war glaube ich Lothar Matthäus. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, hätte ich im Laufe meiner Karriere einen Berater bekommen. Vielleicht hätte ich dann mehr Geld rausschinden können (lacht). Aber ich war immer mit dem zufrieden, was ich mit Uli Hoeneß vereinbart hatte.

Wenn man so will, waren Sie der Joshua Kimmich von heute. Welche Vorteile hat es, wenn man die Verträge selbst aushandelt?
Ich weiß nicht, ob das Vorteile sind. Es sind vielleicht Vorteile für den Verein (lacht). Als ich dann Trainer bei Wolfsburg und Leverkusen war, hatte ich einen Berater. Da muss ich ehrlich sagen: Als Klaus Augenthaler hätte ich mich nicht getraut, solche Summen aufzurufen. 



Augenthaler: "Ich habe es nie finanziell ausgenutzt, wenn der Verein verlängern wollte"

Wenn Sie an der Stelle von Kimmich wären: Würden Sie den FC Bayern nach all dem Negativen, was auch vorgefallen ist, verlassen oder würden Sie sich für die Option Klub-Legende entscheiden?

Ich hätte mir nie vorstellen können, den FC Bayern zu verlassen. Da hätte schon Gravierendes vorfallen müssen. 

Also es gab es bei Ihnen nie einen Zeitpunkt, an dem Sie den FC Bayern verlassen wollten?
Null, im Gegenteil. Es gab immer die Zeitpunkte, an denen der Vertrag ausgelaufen ist. Ich habe mir immer gedacht: Hoffentlich verlängert der Verein mit mir. Es gab zum Glück aber nie einen Zeitpunkt, an dem ich um einen Vertrag zittern musste. Bevor der Vertrag auslief, ist der Klub auf mich zugekommen und wollte verlängern. Ich habe es aber auch nie finanziell ausgenutzt, wenn der Verein unbedingt wieder verlängern wollte. 



Feierten zusammen den ein oder anderen Titel mit dem FC Bayern: Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Augenthaler.
Feierten zusammen den ein oder anderen Titel mit dem FC Bayern: Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Augenthaler. © IMAGO

Klub-Legende sieht Kimmich als guten Bayern-Kapitän der Zukunft 

Schauen wir nochmal zurück auf Joshua Kimmich: Bleibt er beim FC Bayern sind die Aussichten gut, dass er, wie Sie zum Kapitän wird. Sehen Sie ihn in der Rolle?
Ich wollte gar nicht Kapitän werden. Udo Lattek hat zu mir einfach gesagt, du bist Kapitän. Wenn jemand anderer Kapitän gewesen wäre, hätte ich aber nicht anders gespielt. Wobei man als Kapitän schon mehr Verantwortung hat. In einer schlechten Phase habe ich zwei- oder dreimal die Mannschaft zu mir nach Hause in den Keller geholt und da haben wir Tacheles geredet. Aber um auf Joshua Kimmich zu kommen: Dass er ein guter Kapitän ist, beweist er bei der Nationalmannschaft. Auch ist er schon lange beim FC Bayern. Und ich glaube, er denkt auch rot-weiß. 



Kommen wir zurück zu Ihnen. Wenn Sie ihre ganze Zeit als Spieler Revue passieren lassen. Was war das größte Spiel Ihrer Karriere?
Das wurde ich schon oft gefragt. Aber wenn ich ehrlich bin: Es gab nicht das eine große Spiel. Wobei das Champions-League-Finale gegen Aston Villa in Rotterdam schon ein großes Spiel war. Ich hätte Champions-League-Sieger werden können. Aber auch die Spiele, in denen wir hinten lagen und noch drehen konnten, waren schon immer besonders.

Augenthaler: "Ich habe das Rauchen angefangen, als ich zu Bayern kam"

Gibt es eine Meisterschaft, die Sie nie vergessen werden?
Das war die Meisterschaft 1986. Das war für mich ein brutales Jahr. In der Hinrunde gegen Werder Bremen bekam ich nach einem Foul an Rudi Völler Morddrohungen und wurde zum Buhmann. Im vorletzten Saisonspiel feierte er dann erst sein Comeback. Er holte direkt einen Elfmeter für Werder raus, der allerdings verschossen wurde. Hätte Bremen diesen Elfmeter nicht verschossen, wären sie Meister geworden. So konnten wir im letzten Saisonspiel die Meisterschaft gegen Gladbach klarmachen. Da können Sie sich vorstellen, wie emotional das war. 



Ihr Name steht für Fleiß, Ehrgeiz und Siegeswillen. Das Weißbier und die Zigarette waren treue Begleiter der Karriere. Überspitzt gesagt: Wäre eine solche Laufbahn ohne das Weißbier und die Zigarette möglich gewesen?

Das Schlimme ist, ich habe das Rauchen angefangen, als ich zu Bayern kam (lacht). Der FC Bayern hatte damals einen Kader mit 33 Spielern. Davon haben zwei oder drei Spieler geraucht. Von denen wurde mir immer wieder eine Zigarette angeboten. Die habe ich eigentlich immer abgelehnt. Weil ich aber nicht zum Außenseiter werden wollte, habe ich dann irgendwann doch eine genommen. Vier Wochen später habe ich mir dann meine erste Schachtel gekauft.

Ein treuer Wegbegleiter von Bayern-Legende Klaus Augenthaler: Das Weißbier.
Ein treuer Wegbegleiter von Bayern-Legende Klaus Augenthaler: Das Weißbier. © IMAGO

Ehemaliger FCB-Kapitän brauchte zwei oder drei Tage, um Niederlagen zu verarbeiten

Denken Sie, dass so eine Karriere ohne die Zigarette und das Weißbier möglich gewesen wäre?
Vielleicht wäre es ohne noch besser gelaufen (lacht). Vielleicht wäre ich ohne Weißbier und Zigarette Champions-League-Sieger geworden.

Wenn Sie jetzt so auf die ganze Karriere zurückblicken. Welche Vereine außer dem FC Bayern hat Ihnen am meisten schlaflose Nächte beschert?
Kaiserlautern. Wir haben gegen die nie Punkte geholt. Ich habe nach Niederlagen schon immer zwei oder drei Tage gebraucht, um das zu verarbeiten. Immer wenn wir auswärts verloren haben, haben die Leute am Flughafen gefragt, wie wir gespielt haben. Ich habe immer gesagt, dass wir 3:1 gewonnen haben. Für mich war es immer eine Schande zu verlieren.

Augenthaler: "Das war für mich immer ein Zigeunerleben"

Ihre Biografie thematisiert ausschließlich die Spielerkarriere. Warum haben Sie sich gegen die Kapitel Ihrer Trainerkarriere entschieden?
Ich muss zugeben, dass wir über das Thema gar nicht gesprochen haben. Es hätte auch dazu einiges zu schreiben gegeben. Zum Beispiel, warum ich nur zehn Jahre als Trainer aktiv war. Ich hätte mir nämlich schon vorstellen können, zu einem Trainer wie Christian Streich zu werden, der über längere Zeit bei einem Verein arbeitet. Ich war das von meiner Zeit beim FC Bayern gewohnt. Wegen der kurzen Amtsdauer wollte ich eigentlich nie Trainer werden. Das war für mich immer ein Zigeunerleben. Du unterschreibst einen Dreijahresvertrag und bist nach einem Jahr wieder weg.

War das auch der Grund, warum Sie die Trainerkarriere beendet haben?
Es gab nach meiner Zeit in Leverkusen und Wolfsburg noch mehrere Anfragen über meinen Berater. Wir haben aber zusammen entschieden, dass wir auf bessere Vereine warten. Dann kamen nur noch Anfragen aus dem Ausland. Ich wollte aber nicht ins Ausland. Ich hatte zum Beispiel ein Riesen-Angebot aus Saudi-Arabien mit Millionen-Beträgen auf dem Tisch liegen. Damit hätte ich für mein ganzes Leben und das meiner Kinder aussorgen können. Aber ich wollte nicht nach Saudi-Arabien. Ich war zu sehr heimatverbunden. Für mich war schon Wolfsburg und Leverkusen weit weg. 

Klaus Augenthaler stand zwischen 2005 und 2007 an der Seitenlinie des VfL Wolfsburg.
Klaus Augenthaler stand zwischen 2005 und 2007 an der Seitenlinie des VfL Wolfsburg. © IMAGO

Bayern-Legende erinnert sich an legendäre Pressekonferenz mit Kerkeling



Zu ihrer Zeit als Graz-Coach gab es eine Pressekonferenz zusammen mit Hape Kerkeling für die Sendung "Darüber lacht die Welt". Das wäre doch auch eine Geschichte gewesen, die unbedingt in das Trainer-Kapitel gemusst hätte, oder? 

 
Ich hatte in Graz einer der schönsten Zeiten als Trainer. Wir haben sogar international gespielt. Dann kam Hape Kerkeling. Ich bekomme das Video heute noch von Freunden zugeschickt, die sich totlachen.

Sie mussten während der Pressekonferenz komplett ernst bleiben. Gab es Momente, an denen Sie am liebsten losgelacht hätten?
Ja klar. Je länger die Pressekonferenz ging, desto schlimmer wurde es. Zum Glück saßen wir auf einer kleinen Bühne mit zwei oder drei Blumenstöcken. Da hätte ich mich dann hinter den Blumenstöcken verschanzen können. 



Augenthaler über seine 42-Sekunden-Pressekonferenz: "Ich wollte mit der Presse eigentlich gut auskommen"

Eine zweite Pressekonferenz als Trainer des VfL Wolfsburg ist unvergessen. 42 Sekunden saßen Sie auf dem Podium. Wie kamen Sie auf die Idee?
Ich hatte darüber mit einem ehemaligen Freund und Trainer gesprochen. Das hatte davor schon ein Trainer in Holland gemacht. Ich wollte mit der Presse eigentlich gut auskommen. Ich musste aber immer alles rechtfertigen. Spielen wir mit einer Dreierkette, Viererkette, Schneekette. Deswegen habe ich es dann auch gemacht. Zumal sich meine Zeit schon dem Ende entgegenneigte.  



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4 Kommentare
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  • Südstern7 am 01.01.2025 13:26 Uhr / Bewertung:

    Auge! Urgestein des FC Bayern. In der 2. Mannschaft hat er gespielt und wurde als junger Bursche auf Anhieb Stammspieler bei den Profis. In einer Zeit, als der Verein mit miesen Kontoständen und Tabellenplätzen auf dem Weg ins Mittelmaß war. Sein Werdegang läuft parallel mit der Wiedergeburt des Teams. Weltmeister Augenthaler!

    Unvergessen sein 50-m-Tor gegen Uli Stein, unvergessen aber auch seine Bogenlampe im HF gegen RS Belgrad, die Aumann dann endgültig ins eigene Tor boxte. Höhen und Tiefen - genau wie es in diesem Artikel angedeutet wird. Der im Bericht erwähnte Trainer heißt übrigens Cramer. Mit "C".

    Humor hat Auge auch. Als er mir mal in der Perusastraße mit seiner Frau über den Weg lief, fragte ich nach einem Autogramm. Hätte er gerne gemacht, aber keiner von uns hatte einen Kugelschreiber dabei. Klaus meinte dann auge-nzwinkernd: "Beim nächsten Wiedersehen hab ich was zu schreiben dabei!" Und im Bayern-Museum 10 Jahre später kriegte ich dann meine Unterschrift.

  • Bujuku am 02.01.2025 12:08 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Südstern7

    Sehr schön zusammengefasst.

  • Knoedel am 03.01.2025 15:30 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Südstern7

    Das mit dem Dettmar "C" Kramer konnte ich erst nicht glauben.
    Vor 25 Jahren und mehr hatten die Journalisten noch mehr Ahnung wie man wen richtig schreibt.

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