Neuers Sieg über den Schalker Hass

Bayerns Torwart Manuel Neuer wird in der alten Heimat von pöbelnden Fans brüskiert. Franz Beckenbauer spricht von „Wahnsinnigen“, Jupp Heynckes findet’s „geschmacklos“. Und der Spieler selbst ist „froh, dass es vorbei ist“.
Gelsenkirchen - Um kurz vor fünf wurde die Nordkurve ungeduldig. „Komm raus, du Sau!“, skandierten die Fans Richtung Kabine. Als der neue Bayern-Torhüter schließlich auf den Rasen lief, setzte ein bitterböses Pfeifkonzert ein. Es schwoll zum Pöbelorkan an, als Manuel Neuer – im roten Trainingsanzug – die Bayern-Fans grüßte. In Richtung seiner früheren Anhänger verkniff sich das der gebürtige Gelsenkirchener lieber.
Die boten ein unschönes Bild: das des FC Stinkefinger<TH>04. Schrien „Neuer, du A...!“ und „Judas! Judas!" Hatten 70 Meter breit ein Spruchband gehängt: „Wir trauern um M. Neuer. Gestorben zwischen 2005 & 2011. Wiederauferstanden als charakterlose Marionette.“ Einer anderes Plakat pöbelte: „Deine Herkunft verraten für Titel und Geld – selbst Judas hatte mehr Ehre.“ Schalke-Manager Horst Heldt sagte achselzuckend: „Was soll ich dazu sagen? Die Leute lieben den Verein. Wir sind einfach enttäuscht. Die Leute pfeifen, aber das ist ihr gutes Recht.“ TV-Experte Franz Beckenbauer franzelte: „Wahnsinnige und Fanatiker gibt’s immer, und die haben die gleichen Wahnsinnigen wie wir.“
Bilderstrecke: Pfiffe, Schmähgesänge und Plakate gegen Manuel Neuer
Immerhin Jupp Heynckes raffte sich zu einer kernigen Watschn auf: „Geschmacklos! Da haben sie voll daneben gegriffen“, grollte der Bayern-Coach gegen die Nordkurven-Fans, nur um kurz darauf das Hohelied auf seinen Keeper anzustimmen: „Mich freut es besonders für Manuel. Meine Mannschaft hat nicht nur für den FC Bayern gespielt, sondern auch für ihn. Denn einiges, was hier passiert ist, hat er nicht verdient. Er ist ein souveräner Torwart, ein super Sportler und ein noch besserer Mensch: besonnen, cool und auch noch ein guter Fußballer. Der professionellste Spieler, den ich kenne.“
Da wollte Beckenbauer nicht nachstehen („Er ist auf dem Weg, der Beste der Welt zu werden“) und sagte zu Neuer bei Sky90: „Manuel, alle Hüte, die ich habe, ziehe ich vor dir.“
Mehr Lob geht nicht. Dabei hat Neuer lange nicht mehr als Torwart überzeugt – aus chronischem Beschäftigungsmangel. Wieder mal war er kaum am Ball, was ihm entgegen kam, da er bei jeder Ballberührung ausgepfiffen wurde. Am Ende hatten die frustrierten Fans ihren Hass jedoch fast vergessen oder waren schlicht des Pfeifens müde. Es wurde still in der Arena.
Ruhig und ohne ein Anzeichen von Jubel nahm Neuer das 1:0 durch Nils Petersen auf, und auch nach dem Schlusspfiff beim Smalltalk mit den alten Kollegen hielt er sich mit Gesten zurück, lief auch nicht mit den neuen Kollegen in die Bayern-Kurve, sondern tauschte mit Nachfolger Ralf Fährmann in aller Ruhe das Trikot – ohne das Schalker Leibchen überzuziehen. Er macht gerade alles richtig.
„Ich habe schon damit gerechnet, dass ich so empfangen werde“, sagte Neuer, „es ist klar, dass man das nicht gerne hört. Aber wenn man es vorher weiß, stellt man sich drauf ein, und dann geht das teilweise ins eine Ohr rein und aus dem anderen raus.“
Bilderstrecke: Einzelkritik - Die Bayern auf Schalke
Benedikt Höwedes, Neuers Kumpel und Schalkes Kapitän, meinte: „Die Pfiffe waren unüberhörbar. Manu hat hervorragende Jahre auf Schalke gehabt und hat einiges für Schalke getan. Das hat er nicht verdient." Fährmann versuchte sich in Neuer hineinzuversetzen: „Wenn die Pfiffe kommen, kann ich mir schon vorstellen, dass das wehtut.“
Manuel Neuer gab derweil den Pragmatiker: „Für mich war wichtig, dass wir gewinnen.“ Etwas leiser schob er nach: „Und deshalb bin ich froh, dass das Spiel jetzt vorbei ist."