Neuer: "Seit ich bei Bayern bin, höre ich keine Pfiffe"
AZ: Herr Neuer, eines Ihrer Hobbys ist Reisen. Können Sie noch unerkannt verreisen?
MANUEL NEUER: Auf jeden Fall. Im Sommer waren wir im Westen Kanadas... ...
...okay, aber da leben auch kaum Menschen!
Stimmt schon, wir haben eine Rundreise gemacht und teilweise fährst du 15 Kilometer bis dir mal ein Auto entgegenkommt.
Verreisen Sie mit einem Rucksack und auf gut Glück?
Nein, das war schon organisiert. Ein Freund von mir ist Eventmanager und hat die Reise geplant. Und abends haben wir in Hotels geschlafen.
Was ist Ihr Eindruck vom Persischen Golf?
Ich war mit 19 mit der Nationalmannschaft schon mal in Saudi-Arabien. Wie dort fällt auch hier in Doha auf, dass es hier vor nicht allzu langer Zeit nicht viel gegeben hat. Hier sind Städte und Dinge entstanden, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte.
Was fühlen Sie, wenn Sie verschleierten Frauen begegnen?
Ich finde, man muss sich auf die Kultur einstellen. Ich habe ein paar muslimische Freunde und bin generell mit vielen Ausländern aufgewachsen. Ich weiß, dass Kulturen verschieden sind und habe kein Problem damit.
Gab es vom Klub im Vorfeld einen Verhaltensknigge oder Ratschläge, wie man sich hier verhalten sollte?
Nein. Ich denke, jeder von uns hat ein Gefühl dafür, wo er sich gerade befindet und worauf man achten sollte.
Können Sie nach Ihrem ersten halben Jahr beim FC Bayern beschreiben, was diesen Klub, abgesehen vom sportlichen Erfolg, abhebt von anderen Bundesligaklubs?
Man spricht hier offen darüber, welche Ziele man hat. Natürlich wusste ich das vorher, aber wenn man mal hier ist und diese Sieger-Mentalität kennen lernt, ist das schon etwas Besonderes. Außerdem die Art, wie der Klub organisiert ist. Es kümmern sich unheimlich viele Leute um alle möglichen Kleinigkeiten, alle wollen den maximalen Erfolg, in allen Bereichen arbeiten Profis.
Sollte Bayern im Mai nicht die Champions League gewinnen - wäre es eine erfolgreiche Saison?
(lacht) Das darf man nicht nur von einem Wettbewerb abhängig machen. Sicher möchten wir alle den maximalen Erfolg erreichen, aber gerade in der Champions League ist oft die Tagesform entscheidend.
Franz Beckenbauer hat gesagt, dass Bayern hinter Barca und Real derzeit die Nummer 3 in Europa wäre. Sehen Sie das auch so?
Weiß ich nicht. Ich denke, dass Barca und Real sehr stark sind, vielleicht die stärksten Teams überhaupt. Und ich weiß, dass wir sie an guten Tagen auch schlagen können.
Franz Beckenbauer hat auch gesagt, Sie seien der beste Torhüter der Welt...
Das war für mich damals eine komische Situation. Ich war gerade dabei, hier anzukommen, war in der Findungsphase bei Bayern - und dann solche Vorschusslorbeeren. Natürlich ehrt mich das, es kommt ja von Experten. Aber von mir werden Sie das nie hören. Ich vergleiche mich nicht mit anderen Torhütern. Ich würde auch nicht sagen, dass ich einer der besten sei.
Die Pfiffe und Anfeindungen gegen Sie vor Ihrem Wechsel zu Bayern haben Sie ja live miterleben müssen.
Schon, aber das ist vorbei. Seit ich bei Bayern bin, höre ich keine Pfiffe von den eigenen Fans, das ist das wichtigste. Die Fans wollen ja nicht, dass ich einen Patzer mache.
Sie standen der Ultra-Szene nahe. Können Sie grundsätzlich nachvollziehen, wenn es Proteste gibt, wenn solche emotionale Wechsel anstehen?
Rein aus Sicht der Fans. Klar kann ich das verstehen. Teilweise waren in meinem Fall Sachen dabei, die nicht hätten sein müssen. Aber grundsätzlich kann ich die Fans verstehen.
Was halten Sie von Pyrotechnik?
An Silvester hab ich schon mal ein paar Böller angezündet...
Wir meinten eigentlich Pyrotechnik im Stadion...
Da sollte ich als Spieler lieber nichts zu sagen.
Sie haben in der Kurve immer nur Dinge getan, die erlaubt waren?
Pyros habe ich nie angezündet.
Fühlen Sie sich noch als Schalke-Fan?
Natürlich. Ich versuche mir so oft wie möglich die Spiele anzuschauen. Als wir gegen Schalke gespielt haben, wollte ich natürlich gewinnen. Aber so richtig über unsere Tore Freude konnte ich mich nicht. Ich war froh, als das Spiel rum war.
Was ist eigentlich an der Meinung dran, dass Sie als Feldspieler Zweitliganiveau hätten?
Mike Büskens hat das damals gesagt, als er Trainer der Schalker Amateure war. Ich weiß nicht, ob das so ist. Ich wüsste ja nicht mal, auf welcher Position ich spielen sollte.
Im Training hier in Doha haben Sie schon als Rechtsverteidiger gespielt.
Ja, gegen David Alaba! Der Junge ist nicht gerade langsam, der hat es mir schon schwer gemacht.
Der Sommermärchen-Keeper Jens Lehmann hat gesagt, Sie würden in der Nationalmannschaft eine ganze Generation verhindern. Schlechtes Gewissen?
Klar, total (lacht). Nein, jeder Fußballer spielt ja erstmal für sich selbst. Aber klar ist es super, dass es so viele junge gute Torhüter gibt in Deutschland.
Was tun Sie im Trainingslager, wenn nicht gerade trainiert wird? Gehören Sie zur Playstation-Fraktion?
Nein, überhaupt nicht. Ich hab erst seit kurzem eine PSP, hab sie aber erst einmal benutzt. Aber nicht, um zu spielen.
Sondern?
Ich hab so ein Singstar-Ding geschenkt bekommen und hab einmal so eine dreiviertel Stunde lang ein bisschen rumgesungen.
Und, sind Sie talentiert?
Kommt aufs Lied an. Das Programm sagt einem ja, ob man die Töne getroffen hat. „Versager" stand jedenfalls nicht einmal dabei.