Neuer! Schalke feiert und zockt

Auch nach dem 5:0-Sieg im Pokalfinale weigern sich Tönnies & Co., Nationaltorwart Manuel Neuer zum FC Bayern ziehen zu lassen. Wie lange noch?
von  Kurt Röttgen

Auch nach dem 5:0-Sieg im Pokalfinale weigern sich Tönnies & Co., Nationaltorwart Manuel Neuer zum FC Bayern ziehen zu lassen. Wie lange noch?

Berlin - Auch nach Spielschluss wehrte die Schalker Verteidigung alle Angriffe locker ab. Die vielen TV-Reporter, die am Samstag kurz vor Mitternacht aus dem Berliner Olympiastadion endlich den Vollzug des Neuer-Transfers vermelden wollten, waren ebenso chancenlos wie zuvor die Spieler des MSV Duisburg beim 0:5 im Pokalfinale. Ob Vereinschef Clemens Tönnies, Manager Horst Heldt oder Trainer Ralf Rangnick – ihre Botschaft war dieselbe: Trotz der Quasi-Bestätigung aus München sei ein sofortiger Wechsel des Nationaltorwarts zum FC Bayern noch keineswegs in trockenen Tüchern.

Für Mitte dieser Woche kündigte Tönnies eine Sondersitzung des Aufsichtsrates an, da werde die Entscheidung fallen. Wobei sich der mächtigste Funktionär des Traditionsklubs aus dem Kohlenpott bereits festgelegt hat. „Ich bin dagegen, dass Neuer geht”, sagt Tönnies. Die nahe liegende Vermutung, dass die klammen Schalker aus dem Geschäft um einen der weltbesten Torleute mehr als die angeblich vereinbarten 18 Millionen Euro plus Sonderzahlungen herausholen wollen, weist Manager Heldt von sich. Schalke pokere nicht, beteuert er, sondern bedenke sorgsam die Vor- und Nachteile eines Weggangs ein Jahr vor Vertragsende: Jetzt viel Geld oder im Sommer 2012 nichts, dafür aber noch eine Saison Neuer im Tor.

So geriet das Rührstück vom jungen Wandersmann, der die geliebte heimische Scholle verlässt, um in der Fremde sein Glück zu machen, am Samstag nicht ganz nach Drehbuch. Statt, wie allgemein erwartet, Abschiedstränen zu vergießen, zuckte Manuel Neuer mit den Schultern, wenn er gefragt wurde: Ob das sein letztes Spiel für Schalke gewesen wäre. „Da müssen wir jetzt alle abwarten, welche Entscheidung getroffen wird”, sagte er und blickte ratlos in die Runde. Falls Schalke darauf bestehe, dass er den Vertrag erfülle, sei das für ihn „kein Problem”.

Neuer (25) war es wohl ganz recht, dass der schönste Tag seiner zwanzigjährigen Vereinszugehörigkeit nicht vom endgültigen Abschied verdüstert wurde. „Ich liebe Schalke, dieser Verein wird immer ein Stück Heimat für mich bleiben”, hat er unter der Woche glaubhaft versichert, als ihn seine einstigen Verehrer im Internet als „Judas” oder „charakterlos” niedermachten. Dass man gerade in seiner Geburtsstadt Gelsenkirchen die Aufstiegschance nicht wahrhaben will, die jedem Profifußballer ein Engagement beim Branchenführer FC Bayern bietet, hat Neuer mächtig zugesetzt. Er hatte nicht erwartet, dass Schalker Fans ihn so respektlos behandeln könnten. Wo er sich doch im Grunde genommen als einer von ihnen fühlt.

Seine Leistungen, bis dahin auf konstant hohem Niveau, wurden zuletzt schwächer. Das Fachblatt „kicker” führte ihn in der Rangliste der Top-Torhüter am Saisonende nur noch auf Platz drei, hinter Rensing und Weidenfeller. „Das ist doch kein Wunder bei allem, was auf den Jungen eingestürmt ist”, sagt Jupp Heynckes. Der künftige Münchner Coach ist überzeugt, dass Neuer die wichtigste Voraussetzung für einen Bayern-Torwart mitbringt: Druck aushalten zu können. Wie Olli Kahn das konnte.

Die besondere Anspannung, unter der Neuer im Finale stand, war nicht zu übersehen. Nach Schalker Toren stürmte er zur Trainerbank, umarmte die Ersatzspieler. Doch bei aller Spontaneität hatten Neuers Gesten auch etwas Zögerliches, als sei er nicht sicher, wie die etwa 40000 Schalke-Fans im Olympiastadion darauf reagieren würden. Die straften ihr einstiges Idol zwar weiter mit Liebesentzug, blieben aber durchweg fair. Wie tief die Kränkung sitzt, verdeutlichte das Transparent mit den Namen Szepan und Kuzorra, die Urväter des Schalke-Mythos. Der Name Neuer daneben war durchgestrichen.
Es klang wie eine Friedensbotschaft, dass Neuer sagte: „Auch die Fans haben großen Anteil daran, dass wir es geschafft haben.” Er wolle den Moment genießen, erzählte er, schon in der Kabine habe man Lieder gesungen, ein paar Bier getrunken, ein Kindheitstraum habe sich erfüllt – „jetzt kann ich zum Partybiest werden”. Ob er nun dieses oder nächstes Jahr kommt: Ein bisschen München steckt offenbar bereits in ihm.

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