Neuer kriegt die Fans in der Kurve
Die Stimmung schwenkt um: Bayern-Fans feiern plötzlich den Noch-Schalker – und die Ultras, die gegen den Wechsel sind, werden niedergepfiffen. Und sogar massive „Schickeria-raus!”-Rufe gibt es.
MÜNCHEN - War es nun ein guter Tag für Manuel Neuer beim zweiten Auftritt des Schalker Nationaltorhüters in seinem künftigen Stadion?
Auf dem Platz hat Neuer vier Tore kassiert. Zuvor hatte er in zwei Spielen und 180 Minuten zwischen Schalke und dem FC Bayern (ein 2:0 in der Hinrunde, ein 1:0 im Pokal aus Sicht der Schalker) kein Gegentor kassiert – am Samstag dann in 19 Minuten gleich drei. 0:1 durch Robben, 1:2 durch Müller, 1:3 durch Gomez – da hatte Neuer noch keine Parade zeigen können.
Das 1:4 durch Müller war da schon geschenkt, zwischendurch konnte er ein paar Paraden zeigen – immerhin. Und das direkt vor der Südkurve.
Da war die Stimmung in der Allianz Arena allerdings schon gekippt: Von Anti-Neuer zu Pro-Neuer.
Pfiffe, hauptsächlich von den Schickeria-Fans in der Südkurve, und Rufe nach Thomas Kraft empfingen den Keeper, zwischen den Rängen wurden Transparente wie „Neuer – nur zu Besuch” aufgehängt.
Viele der „Koan Neuer!”-Plakate vom im Pokal-Halbfinale Anfang März (0:1) waren inzwischen im Altpapier gelandet – die Protestplakate wurden weniger. Mehr noch: Die Stimmung hat sich gewandelt. Als die Schickeria in Richtung Neuer „Niemals ein Heimspiel, du hast hier niemals ein Heimspiel” anstimmte, passierte es: Mittel- und Oberrang der Südkurve, aber auch Teile des Unterrangs, also der eigentlichen Südkurve, hielten dagegen – und brüllten: „Schickeria-Raus!” Und als die Ultras es später noch einmal mit „Neuer, du Arschloch” versuchten, wurden sie vom Großteil der Südkurve niedergepfiffen.
Die Mehrheit der Kurve emanzipiert sich von den Hardlinern. „Das war eine deutliche Aussage”, bemerkte Sportdirektor Christian Nerlinger und ergänzte: „Bei den Fans, die gegen Neuer sind, handelt es sich um eine isolierte Gruppe.” Eine deutliche Ansage an die Ultras, über die Torwartlegende Sepp Maier im Berliner „Tagesspiegel” sagte: „Ich würd' die alle rausschmeißen. Diese 200, 300 Leute machen doch seit 25 Jahren nur Stunk.”
Spannender als das Spiel auf dem Rasen war das Duell auf den Rängen.
Hier die Hardcore-Fans: Sie höhnten „Schießbude Neuer” höhnten, plakatierten ironisch „Juhu, wir bekommen 'nen klasse Torwart und 'nen Weltklasse-Heuchler. Danke!” und drohten „Du hast hier niemals ein Heimspiel!”
Dort der Rest der Südkurve: Plötzlich konterten die Oberrang-Fans mit Sprechchören „Ma-nu-el Neu-er”. Das gab es noch nie in der Allianz Arena: dass die Fans der Roten einen Spieler des Gegners feierten. Für Neuer ein versöhnlicher Abschluss, er kriegt bei Bayern die Kurve.
Abgesprochen war der Gegenprotest nicht, ein spontaner Akt. „Das ist aber auch nicht der richtige Weg”, meinte Hans Gehrlein, Präsident des Fanklubs „13 Höslwanger”, „am besten wäre es, wir Bayern-Fans präsentieren uns als eine große Familie. Aber da brauchen wir noch Zeit.” Karl-Heinz Rummenigge war zufrieden: „Es hat sich im Rahmen gehalten.” Der Vorstandsboss: „Ich habe in letzter Zeit viele Briefe erhalten, bei den Fans ist die Zustimmung für Neuer bei 100 Prozent. Es gibt halt einige, die nicht für ihn sind – damit muss man wohl leben.”
Gehrlein glaubt: „Der Transfer ist wohl durch. Irgendwann werden diese Fans das auch einsehen. Das beruhigt sich, wenn Neuer erst mal hier ist.”