Neue Kritik: Auch Schweinsteiger zweifelt "Mia san mia"-Gefühl beim FC Bayern an

München - "Es ist absolut eine Entwicklung erkennbar. Und das stimmt mich mehr als positiv, dass wir eine gute und vor allem viel bessere Rückrunde spielen als letztes Jahr", sagte Thomas Müller noch im Januar – angesprochen auf das "Mia san Mia" der Münchner.
"Und wir kennen den Trainer besser. Wir wissen deutlich mehr, was er inhaltlich von uns will. Wir können es auch schon sehr viel besser umsetzen." Müllers Eindruck damals: "Alle sind auf dem richtigen Pfad."
Schweinsteiger: "'Mia san mia' ist ein bisschen abhandengekommen"
Doch weit gefehlt, seither ist in München einiges passiert. Die wohl größte Zäsur in der dieser Saison: Julian Nagelsmann ist seit Ende März nicht mehr Trainer des FC Bayern, der Zeitpunkt der Freistellung kam für viele überraschend. Doch vor allem für die Art und Weise der Kommunikation gab es zuletzt viel Kritik für die Bayern-Bosse um Sportvorstand Hasan Salihamidzic, Vorstandschef Oliver Kahn und Präsident Herbert Hainer.
Nun schaltete sich mit Bastian Schweinsteiger auch eine echte Bayern-Legende in die aktuelle Diskussion ein. "Dieses 'Mia san mia' ist ein bisschen abhandengekommen im Vergleich zu vielleicht vor zehn Jahren oder anderen Zeiten", sagte Schweinsteiger am Dienstag gegenüber der ARD, für die er mittlerweile als Experte im Einsatz ist. Das hänge auch mit den Charakteren zusammen, die dort arbeiten würden, aber natürlich auch mit der Spielergeneration, sagte der 38-Jährige.

Auch Gerland und Matthäus kritisieren das aktuelle "Mia san mia"-Verständnis des FC Bayern
Schweinsteiger bekräftigte damit die Aussagen von Lothar Matthäus, die in den vergangenen Tagen für reichlich Wirbel gesorgt hatten. Das familiäre, beschützende Selbstverständnis der Bayern, das "Mia san mia", sei nicht mehr vorhanden, sogar "teilweise mit Füßen getreten" worden, hatte der Rekordnationalspieler Deutschlands geurteilt. "Einen Angestellten vor wenigen Tagen als Langzeitprojekt zu bezeichnen, um ihn dann zu feuern, finde ich nicht in Ordnung und hat auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun."
Auch für Herrmann Gerland ist der FC Bayern nicht mehr der Verein, der er einmal war. "Ich würde sagen, das Mia-san-mia-Gefühl ist anders, als es noch vor zehn Jahren war. Ich habe mich da nicht mehr gesehen", sagte der 68-Jährige zuletzt im Sport1-"Doppelpass" über seinen Abschied beim deutschen Rekordmeister im Jahr 2021.
Last-Minute-K.o gegen Freiburg: Bayern lässt Siegermentalität vermissen
Doch nicht nur das. Der Last-Minute-K.o. im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den SC Freiburg (1:2) macht deutlich: Neben der familiären Seite des "Mia san mia" scheint der FC Bayern auch jene Siegermentalität eingebüßt zu haben, die er mit dem Klubmotto signalisieren will. "Die Galligkeit, die Gierigkeit" einzelner Spieler habe er gegen die Freiburger nicht permanent gesehen, auch eine gewisse "Boshaftigkeit" konnte er nicht durchgehend auf dem Spielfeld sehen. "Das ist Mentalität", analysierte ARD-Experte Schweinsteiger nach der Partie.
Bayern-Coach Thomas Tuchel konnte sich dem nur anschließen: "Eine Wucht und Gier gemeinschaftlich zu entwickeln und dauerhaft zu halten, das ist ein bisschen das Thema", sagte er – ohne dabei jedoch vom vielzitierten "Mia san mia" zu sprechen.
Daran gilt es nun schleunigst zu arbeiten, sonst platzt nach dem Triple- auch der Double-Traum der Münchner. Nach dem Bundesliga-Spiel am Samstag ausgerechnet bei Pokal-Bezwinger Freiburg (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) steht in der kommenden Wochen bereits das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Manchester City an.