Nerlinger und Hoeneß - wer spielt wen?

 Das Duell gegen den BVB ist ein Psychokrieg. Wie der läuft, erklärt der Aggressionsforscher Jens Weidner, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.  
von  Interview: Patrick Strasser
Böser Bulle, guter Bulle: Präsident Uli Hoeneß und Sportdirektor Christian Nerlinger.
Böser Bulle, guter Bulle: Präsident Uli Hoeneß und Sportdirektor Christian Nerlinger. © sampics

 Das Duell gegen den BVB ist ein Psychokrieg. Wie der läuft, erklärt der Aggressionsforscher Jens Weidner, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.

AZ: Herr Weidner, Sie sind Aggressionsforscher und Fußball-Fan. Ihr Buch „Die Peperoni-Strategie. So setzen Sie Ihre natürliche Aggression konstruktiv um“ wurde zum Bestseller. Gibt Bayern-Präsident Uli Hoeneß nun vor dem Duell mit Borussia Dortmund ganz bewusst Abteilung Peperoni?

JENS WEIDNER: Absolut. Er ist eine Führungskraft, ein Stratege.

Auch, was seine Aussage „Wenn wir in Dortmund gewinnen, werden wir Meister“ betrifft? Hoeneß ist schließlich bekannt für spontane, emotionale Ausbrüche. Alles Methode?

Sie meinen, das geschieht alles nur nach Bauchgefühl?

Da glaube ich nicht an Zufall. Nein, dafür ist er zu intelligent. Er justiert Stellschrauben, darin ist er ein Meister. Er ist der positiv-aggressive Typus, spielt diese Spielchen seit Jahrzehnten, er weiß genau, wie er wirkt. Hoeneß hat das Gespür für Trends, für Stimmungen. Er merkt, wie sich ein Thema langsam in seinem Körper entfaltet. Dann muss es raus.

Ohne Rücksicht auf Verluste? Und dabei soll kein Funken Spontanität sein?

Jemand, der spontan-aggressiv agiert, der erregt sich, der haut mal mit der Faust auf den Tisch und mag damit einen Zufallstreffer landen, dann sind alle beeindruckt. Aber das funktioniert eben nicht immer, bei Hoeneß schon.

Sie glauben, der Bayern-Präsident kann die Dortmunder mit dem Brustgetrommel beeindrucken?

Jetzt kommt am Mittwoch der Showdown. Und kein Showdown ohne Sticheleien. Die Bayern teilen sich die verbale Arbeit ja auch. In der Kriminologie würde man sagen: Guter Bulle, böser Bulle. Karl-Heinz Rummenigge und Christian Nerlinger spielen die guten Bullen, Hoeneß ist der böse Bulle. Rummenigge ist ja auch mal erregt, aber dann hält er eine strenge Vaterrede beim Familienessen am Tisch – so etwas kennen wir ja.

Kann Hoeneß die Dortmunder Ihrer Meinung nach überhaupt beeindrucken?

Da findet ein Strategiespiel statt, auch das Vorspiel hat Bedeutung. Die Bayern inszenieren Provokationen mit kleinen Spitzen, siehe den Hinweis, dass sie ja noch alle drei Titel gewinnen können.

Das tangiert abgezockte Profis am Mittwochabend auf dem Platz? 

Es geht um die Hoheit in den Köpfen. Hoeneß gibt den BVB-Spielern etwas mit. Es wäre aus seiner Sicht unklug, die Dortmunder nicht darauf hinzuweisen, dass sie eine begründete Angst haben sollten. Angst frisst sich in die hintersten Poren deiner Seele. Auch die Dortmunder Spieler lesen Zeitung, sind im Internet.

Kürzlich lobte er die Dortmunder jedoch als künftigen Dauerrivalen auf Augenhöhe. Auch Strategie?

Einerseits ist Hoeneß ein fairer Sportsmann, er kann loben und Leistung anerkennen. Andererseits ist er der Meister der fürsorglichen Umarmung, die ganz subtil in den Würgegriff gleitet.

BVB-Trainer Jürgen Klopp bleibt jedoch cool.

Klopp ist doch auch ein Spieler. Er sagt sich: Jetzt wollen wir doch mal sehen, wer am Mittwoch gewinnt. Aber er verzichtet auf einen verbalen Schlagabtausch, setzt auf das Prinzip „Löschen durch Ignorieren“. Je länger du ignorierst, desto besser.

Was glauben Sie: Wie geht die Partie eingedenk des Psycho-Vorspiels aus?

Ich denke, Bayern gewinnt. 2:1. Sie kommen von hinten, sie attackieren, sind auf der Überholspur, haben das höhere Tempo.

 

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