Nerlinger: "Man muss auch mal nein sagen"

DUBAI - Bayerns Sportdirtektor über seinen Weg als Hoeneß-Nachfolger, Titelchancen, Trransferpolitik und die Millionen-Gagen der Stars.
Bayerns Sportdirektor Christian Nerlinger, der Nachfolger von Manager Uli Hoeneß im sportlichen Bereich, steht im Trainingslager in Dubai erstmals alleine in der Verantwortung. Und spricht über:
Die großen Fußstapfen von Uli Hoeneß: Auf jeden Fall sehe ich mich der Aufgabe gewachsen – immer unter der Prämisse, dass ich nicht der große Zampano bin. Ich wachse Schritt für Schritt in diese Aufgabe hinein und bin auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Bayern München ist mein Verein. Es macht viele Dinge einfacher, dass wir im Präsidium und im Vorstand Topleute haben, die mich unterstützen.
Den Rat vom Ex-Manager: Sehr wichtig. Es wäre auch sehr unklug, auf einen Austausch mit Uli Hoeneß, Karl Hopfner oder Karl-Heinz Rummenigge zu verzichten.
Den eigenen Weg: Ich werde einfach meinen Weg gehen. Ich werde ja oft gefragt, wie ich in dieser oder jener Situation reagieren werde: Ich kann es nicht sagen. Ich werde das situativ lösen.
Die Herausforderungen der Zukunft: Eines ist ganz klar: Wir müssen dieses Selbstvertrauen, das Bayern München immer ausgezeichnet hat, auch weiterhin pflegen. Wir müssen die beste Mannschaft in der Bundesliga haben und auch in Europa konkurrenzfähig sein. Das muss man wissen, wenn man für Bayern München arbeitet.
Kontinuität im schnelllebigen Fußball-Busines: Das wird man sehen, ob das möglich oder naiv ist. Aber es gibt ja Beispiele wie etwa Manchester United, wo sich Kontinuität ausgezahlt hat. Auch da wurden schwere Zeiten mit Alex Ferguson durchgestanden. Es hat sich gelohnt.“
Trainer Louis van Gaal: Wir haben immer gesehen, dass sehr konzentriert gearbeitet wird. Das ist die Basis für den Erfolg. Deshalb war es immer nur eine Frage der Zeit, wann dies auch greifen wird. Louis van Gaal ist ein Super-Fachmann. Man sieht eine Handschrift. Ich bin hundertprozentig vom Trainer überzeugt. Bei Bayern muss man wissen, dass es gewachsene Strukturen gibt. Da gibt es keinen Scheich oder Millardär. Da gibt es Leute, die für den Verein leben und viel Ahnung vom Fußball haben. Ich glaube, dass dies ein Qualitätsmerkmal und das Geheimnis des Erfolges ist, dass kontrovers diskutiert wird.
Die kommenden Monate: Für mich ist es wichtig, akribisch zu arbeiten. Wir müssen dieses Zweisäulen-Modell fortsetzen. Auf der einen Seite steht unsere Jugendarbeit, die weiterhin Früchte tragen muss. Und auf der anderen Seite müssen bei den Profis die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Das sind schon große Herausforderungen. Aber es gibt beim FC Bayern bereits gewachsene Strukturen, die einiges leichter machen.
Die Transferpolitik: Wir wollen auch weiter Topleute verpflichten, aber nur, wenn wir das Gefühl haben, dass sie mit dem ganzen Herzen bei der Sache sind. Arjen Robben zum Beispiel, der schon für Chelsea und Real gespielt hat, war sofort Feuer und Flamme. Das sind die grundlegenden Voraussetzungen.
Das Gehalts-Niveau: Ein Abramowitsch gleicht bei Chelsea die Bilanz mit 370 Millionen Miesen schnell einmal aus. Das kann nicht der Weg sein, das ist nicht Bayern München. Auf Dauer darf die Schraube nicht immer weiter nach oben gedreht werden, sonst geht der Fußball kaputt. Man muss wieder den normalen Menschenverstand einschalten und auch mal sagen: So geht es nicht. Es kann kein Automatismus sein, dass der FC Bayern bei jeder Vertragsverlängerung mehr Geld bezahlt. Man muss auch einmal nein sagen – auch mit dem Risiko, einen Spieler zu verlieren.
Das Verhältnis zu den Spielern: Ich kann nicht der Freud der Spieler sein. Eine gewisse Distanz ist selbstverständlich. Aber ich kann mich gut in die Spieler hineinversetzen. Ich habe das ganze Spektrum selbst erlebt. Es muss einen offenen und respektvollen Umgang geben. Man muss auch unangenehme Dinge direkt ansprechen. Auch von den Spielern erwarte ich eine ehrliche Einschätzung und keine geschönte Meinung.
Die Rückrunde: Das Auftaktprogramm mit den Spielen gegen Hoffenheim und Bremen ist richtungweisend. Ich denke, dass wir die Voraussetzungen gelegt haben. Wir haben es wieder in der eigenen Hand. Ich erwarte, dass wir in der Rückrunde marschieren, wir müssen die Spiele in der Bundesliga gewinnen. Man muss sich schon im Klaren sein, dass wir zuletzt einen Lauf hatten und die Gegner auch nicht so schwer waren. So leicht werden wir es nicht mehr haben. Es wird kein Selbstläufer. Es wird ein harter Weg.
Den DFB-Pokal: Der Pokal läuft nie nebenbei. Wenn man so weit gekommen ist wie wir, will man den Pokal auch gewinnen.
Die Champions League: In der Champions League kommt es mir ein bisschen so vor, als ob Florenz als Glückslos gesehen wird. Aber das wird schwerer als Juventus. Da wird wieder eine außergewöhnliche Leistung vonnöten sein, um weiterzukommen.
Vertragsverhandlungen: Das werden wir im Frühjahr angehen, Ende Februar, Anfang März. Wir werden keine Wasserstandsmeldungen abgeben. Die Spieler sollen sich voll auf das Sportliche konzentrieren und müssen deshalb den Kopf soweit wie möglich frei haben. Das Signal von Vereinsseite ist aber klar: Wir müssen erfolgreich spielen, dann redet es sich auch leichter.
Das dauerende Wechseltheater um Frank Ribéry: Das kann man nicht verhindern. Es hat intern aber nie für Unruhe gesorgt. Es ist ganz normal, wenn man so einen Weltklassespieler hat, dass dann Begehrlichkeiten geweckt werden. Franck Ribery lebt für den Fußball und den FC Bayern. Was transportiert wird, können wir nicht beeinflussen. Das ist für mich, den Trainer oder die Mannschaft kein Problem. Natürlich sind wir uns bewusst, dass er ein außergewöhnlicher Spieler ist. Wir werden versuchen, ihn zu halten. Aber es muss eine Situation sein, mit der beide Seiten gut leben können – die berühmte Win-win-Situation. Wichtig ist aber erst, dass er jetzt zurückkommt und sich stabilsiert. Dann wird man sich zusammensetzen und schauen, was er will.