Nagelsmanns Nagelprobe: "Jetzt geht es ums Liefern"

München - Uli Hoeneß hat die beim FC Bayern oft rasanten Entwicklungen mal so zusammengefasst: "The trend is your friend." Und wie schnell sich die Dinge beim Rekordmeister drehen können, das durchlebt nun auch Julian Nagelsmann zum ersten Mal, seitdem er im Sommer den Cheftrainerposten in München im Sommer übernommen hat.
Nagelsmann: Bis zum Bochum-Spiel eine ordentliche Saison
"Vor Bochum war noch alles in Ordnung", sagte der Bayern-Coach und erinnerte daran, dass sein Team da in der Bundesliga noch "neun Punkte vornedran" und in der Champions League ungeschlagen war. "Es war - mit Ausnahme des Pokals (0:5 gegen Gladbach; d. Red.) eine bis dato ordentliche Saison", führte der 34-Jährige aus, "aber das ist im Fußball einfach so, dass sich das Blatt sehr schnell wendet".
In seinem Fall waren dafür die überraschende 2:4-Niederlage am Samstag in Bochum und das Last-Minute-Remis (1:1), das am Mittwoch im Achtelfinalhinspiel der Champions League bei Red Bull Salzburg folgte. "Jetzt sind wir zwei Spieltage später und es ist nicht mehr alles in Ordnung", sagte Nagelsmann: "Das ist ganz normal und erschüttert im Umfeld des FC Bayern sowieso keinen mehr. Mich auch nicht."
Nagelsmann das erste Mal wirklich gefordert
Der Coach ist in dieser heiklen Phase jetzt aber gefordert wie noch nie in seiner Bayern-Zeit. Nagelsmanns Nagelprobe! Ihm ist bewusst, dass es dabei aktuell jetzt vorerst nicht mehr darum geht, "die nächsten langfristigen Schritte zu gehen. Am Ende geht es jetzt einfach ums Liefern in den nächsten Spielen." Und zwar die "Ergebnisse, die wir brauchen und wollen".
Die Aufgaben haben es nach dem vermeintlich noch leichten Auftakt gegen den Tabellenletzten (siehe unten) aber in sich. "Ob es jetzt gegen Fürth, Frankfurt, Leverkusen oder Salzburg geht", zählte Nagelsmann die kommenden Gegner auf, "geht es darum, in jedem Moment auch Bayern München auszustrahlen, ein gewisses Selbstverständnis zu haben, dass man die Spiele mit einer guten Souveränität gewinnen kann."
Ohne Mia-san-mia nicht im Flow
Dieses Mia-san-mia-Gefühl ist den Münchnern zuletzt irgendwie abhandengekommen. "Wir waren die letzten drei Spiele nicht hundertprozentig im Flow", gab Nagelsmann zu und schloss damit auch noch den 3:2-Erfolg gegen seinen Ex-Klub RB Leipzig mit ein.
In Bochum waren die Bayern selbst wohl am meisten darüber verwundert, wie man schon zur Halbzeitpause mit 1:4 in Rückstand geraten konnte. "In solchen Momenten ist natürlich auch das Pokalspiel drin im Kopf, das man nicht so leicht abschüttelt", sagte Nagelsmann: "Da brauchen wir nicht drumherum reden." Man ahnt, dass er aktuell weniger als Trainer und dafür mehr als Psychologe gefragt ist.
Viele Verletzungen stellen die Bayern vor Probleme
"Da ist der Kopf ein wichtiger Teil des Körpers, um am Ende erfolgreich zu sein", sagte er. Die Stimmungslage sei "dem angemessen, dass wir zweimal nicht gewonnen haben." Es sei wichtig "dass man analytisch und kritisch bleibt, aber auch nicht alles in die Pfanne haut".
Dennoch bereiten die verletzungsbedingten Ausfälle von Kapitän Manuel Neuer, Leon Goretzka und Alphonso Davies zunehmende Probleme. Aufgrund leichter Blessuren sind auch die Einsätze von Serge Gnabry und Kingsley Coman am Sonntag fraglich. Und auch für den frisch corona-freigetesteten Jamal Musiala kommt die Partie wohl noch zu früh. Nagelsmann deutete zuletzt an, dass er sich etwas mehr Kadertiefe durch mögliche Winterneuzugänge gewünscht hätte und widersprach damit erstmals öffentlich der Kaderpolitik von Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
Nagelsmann stärkt formschwachen Sabitzer und Upamecano den Rücken
Hinzukommen gravierende Formschwächen einiger Profis, zu denen auch Nagelsmanns Vertrauensspieler Marcel Sabitzer und Dayot Upamecano, der in Bochum seine Bayern-Tauglichkeit vermissen ließ, gehören. "Auch Upa wird wieder spielen und ein wichtiger Faktor für uns sein. Weil er ein großartiger Verteidiger ist", sagte Nagelsmann, "deshalb werden wir uns in der Defensive auch wieder stabilisieren."
Nagelsmann weiß eben, wie schnell sich die Dinge drehen können - und zwar in beide Richtungen.