Nagelsmann beim DFB: Was der gekränkte Ex-Bayern-Trainer nun anders machen will

Frankfurt - Mit schwarzem Shirt, schwarzem Hemd, einem Dauerlächeln und ziemlich braun gebrannt stellte sich der neue Bundestrainer Freitagmittag am DFB-Campus in Frankfurt vor: Julian Nagelsmann (36) folgt wie schon 2021 beim FC Bayern auf Hansi Flick (58), was seit Tagen spekuliert wurde, machte der DFB offiziell: Nagelsmann betreut die Mannschaft bis nach der Heim-EM, sein Vertrag ist bis zum 31. Juli 2024 datiert.
"Ich habe mich auf mein Bauchgefühl verlassen, es gab keinen Moment des Zweifelns", sagte Nagelsmann, der im Frühjahr trotz Vertrags bis 2026 bei Bayern entlassen worden war: "Es ist wichtig, sich auch in einem Job, der sehr viele Emotionen freisetzt, von den Emotionen leiten zu lassen." Nagelsmann ist der jüngste Bundestrainer nach Otto Nerz 1926. Nerz war damals 34 Jahre jung. Nagelsmann ist jetzt gut zwei Jahre älter – und topmotiviert, bei der EM den Titel zu gewinnen.
"Werden ein eingeschworener Haufen sein": Julian Nagelsmann plant das "Sommermärchen 2.0"
"Wenn man irgendwo teilnimmt, dann meistens auch, um zu gewinnen. Das Sommermärchen 2.0 ist die Idealvorstellung", sagte Nagelsmann mit Blick auf die famose Heim-WM 2006: "Dieser Tatsache, ein großartiges Turnier in einem großartigen Land zu haben, ordne ich alles unter. Wir werden im kommenden Jahr ein eingeschworener Haufen sein." Das Projekt Nagelsmann hat begonnen. Und Die AZ beantwortet vorab die wichtigsten Fragen zur DFB-Entscheidung.
Was motiviert Nagelsmann? Das Aus in München hat den ehrgeizigen Coach gekränkt, Nagelsmann will es seinen Kritikern beweisen. "Das ist am Anfang nie so schön, aber wichtig ist, dass man seine Lehren daraus zieht", sagte er – und zeigte sich selbstkritisch, reflektiert. So wolle er die "Fehler" aus seiner Bayern-Zeit nicht noch einmal machen, sagte Nagelsmann. Der junge Trainer hatte selbst zu oft im Mittelpunkt gestanden.
Neu-Bundestrainer Julian Nagelsmann will "attraktiven Fußball zeigen"
Wie will er spielen lassen? Sein Debüt wird Nagelsmann auf der US-Tour (ab 9. Oktober) geben. Dort trifft die DFB-Auswahl am 14. Oktober (21 Uhr MEZ/RTL) in Hartford auf die USA und am 18. Oktober (2.00 Uhr MEZ) in Philadelphia auf Mexiko. Dabei setzt der Bundestrainer auf eine Spielidee, "die leicht umzusetzen ist. Vor allem in schwierigen Momenten ist es wichtig, dass die Spieler etwas haben, das sie greifen können."
Die Spielweise der Nationalmannschaft werde "nicht so komplex wie im Vereinsfußball sein", ergänzte Nagelsmann, sie sei darauf ausgelegt, "attraktiven Fußball zeigen zu können". Nagelsmann strebt "eine gesunde Aggressivität in Richtung gegnerisches Tor" an: "Es soll dem Gegner auch wehtun, gegen uns zu spielen."
"Er hat gebrannt": Sandro Wagner wird Co-Trainer von Bundestrainer Nagelsmann
Wer unterstützt Nagelsmann? Sportdirektor Rudi Völler (63), zuletzt erfolgreicher Interimstrainer gegen Frankreich (2:1), wird wieder auf der Tribüne Platz nehmen. Co-Trainer sind Benjamin Glück (37), der mit Nagelsmann bereits bei Bayern zusammenarbeitete, und Sandro Wagner (35), der unter Nagelsmann bei Hoffenheim spielte. "Das Telefon wurde sehr warm an meinem Ohr, weil er sehr gebrannt hat", sagte Nagelsmann über Wagners Reaktion auf das DFB-Jobangebot.

Was passiert mit Manuel Neuer? Der 37-jährige Bayern-Torhüter (Reha nach Beinbruch) hatte Zoff mit Nagelsmann, es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass Neuer zurückkehrt. "Das Allerwichtigste ist, dass wir ihm die nötige Zeit geben", sagte Nagelsmann: "Dann werden wir die Situation bewerten." Ilkay Gündogan (32), das stellte der Coach klar, bleibt Kapitän.
Nagelsmann will ein längeres Engagement beim DFB nicht ausschließen
Welchen Anteil hat der FC Bayern? Die Münchner hätten "wunderbar mitgespielt", sagte Völler. Nagelsmanns Vertrag bei Bayern, der bis 2026 ging, wurde aufgelöst – offenbar gegen eine Ausgleichszahlung. Der finanziell angeschlagene DFB soll Nagelsmann nun 400.000 Euro im Monat zahlen, deutlich weniger als Bayern.
Übrigens: Möglicherweise bleibt Nagelsmann über die EM hinaus Bundestrainer. "Wir hatten den Wunsch, dass die Arbeit gegenseitiges Vertrauen weckt – und nicht ein Arbeitspapier", sagte der Coach: "Aber wenn wir im Sommer dasitzen und sagen: 'Das ist sehr erfolgreich', dann ist von meiner Seite nichts ausgeschlossen.