Auf einmal läuft's: Exklusive Daten zeigen, ob der FC Bayern ohne Kimmich wirklich besser dran ist

München - Nackte Zahlen bedeuten nicht immer die nackte Wahrheit. Nähern wir uns erstmal den Fakten. Die letzten zwei Bayern-Spiele ohne Joshua Kimmich: 8:0 gegen Darmstadt, da stand der Sechser zwar in der Startformation, sah nach vier Minuten jedoch die Rote Karte.
Vergangenen Samstag zeigten die Münchner beim 4:0 in Dortmund ihre beste Saisonleistung. Im vierten Vorrundenspiel der Champions League gegen Galatasaray Istanbul (21 Uhr, DAZN und im AZ-Liveticker) steht der Mittelfeld-Chef zur Verfügung, seine Liga-Sperre gilt noch für das Heimspiel am Samstag gegen Heidenheim.
Duo Goretzka/Laimer: Zweikampf-Bestwert im Mittelfeld des FC Bayern
Teil zwei der – für Kimmich bitteren – Fakten: In der Nationalelf verpasste der 28-Jährige die letzten drei Länderspiele. Beim Retter-Rudi-Revival gegen Frankreich (2:1) im September musste Kimmich passen und wegen eines fiebrigen Infekts auch auf die beiden Partien zum Einstand des neuen Bundestrainers Julian Nagelsmann während der US-Reise im Oktober verzichten. Blöd gelaufen. Dazu kommt: Seine Vertretungen im Mittelfeld-Zentrum, Ilkay Gündogan und Pascal Groß bzw. Bayern-Kollege Leon Goretzka machten ihre Sache gegen die USA (3:1) und Mexiko (2:2) ziemlich gut.
Richtig gut sogar war die Leistung des Mittelfeld-Duos Goretzka plus Konrad Laimer in Dortmund. Weil sie defensiver agierten. Exklusiv der AZ zur Verfügung gestellte Opta-Daten zeigen: Als erstmals aufgestellte Doppel-Sechs bestritten Goretzka und Laimer 20 Zweikämpfe, gewannen davon elf – beides Bestwerte im Bayern-Spiel in dieser Bundesliga-Saison. 16 Ballgewinne des Duos waren stark, aber Kimmich/Goretzka kamen schon zweimal auf deren 17.
Der entscheidende Unterschied, das Spiel nach vorne: Zusammen spielten Goretzka/Laimer nur drei Pässe in den gegnerischen Strafraum – beim etablierten Duo Kimmich/Goretzka sind es 12,5 pro Spiel im Schnitt.

Joshua Kimmich: Kritik von Didi Hamann und den eigenen Fans
Am Sonntagabend stellte Sky-Experte Didi Hamann, bekannt für steile Thesen, mit Blick auf Bayerns 4:0 beim BVB eine sehr steile These auf: "Das war das beste Spiel mit Abstand seit er (Bayern-Trainer Tuchel, d. Red.) da ist und das war ohne Kimmich. Ich habe das oft gesagt: Das, was er mit Kimmich gemacht hat, das verstehe ich nicht und hat der Junge, glaube ich, nicht verdient. Nach gestern musst du sagen: Ist es ohne Kimmich eine bessere Mannschaft?"
In zig Fanforen liefen die Diskussionskanäle heiß. "Vermisst jemand Kimmich?" – "Ohne Kimmich läuft's doch besser!" – "Als Rechtsverteidiger ist er ohnehin stärker!" Wo liegt, abseits von Polemik und der nackten Fakten nun die Wahrheit?
Wie so oft in der Mitte. Von den Bayern gab es am Tag vor dem Königsklassen-Duell mit Galatasaray explizit Rückendeckung. "Es wird immer viel diskutiert", sagte Kapitän Manuel Neuer und bekräftigte: "Wenn Jo zur Verfügung steht, will ich immer mit Jo spielen. Ich bin ein Fan von ihm, er ist ein Leader. Ich fühle mich immer wohl mit ihm auf dem Platz."
Die Situation gegen Darmstadt, als ein etwas unbequemer Pass von Neuer auf Kimmich dessen Ballverlust samt anschließender Notbremse auslöste, ist ausgeräumt und intern unter Abstimmungsschwierigkeiten nach so langer Pause verbucht. Bemerkenswert, wie Neuer nun Kimmich zur Seite springt.
Aber auch Thomas Tuchel, fürwahr kein ausgewiesener Fan von Kimmich, meinte es am Dienstagnachmittag gut mit ihm, er sprach: "Jo ist ein absoluter Stammspieler und Fixpunkt in unserer Mannschaft. In meinen Planungen wird er gegen Galatasaray spielen. Joshua wird seine Qualitäten zeigen."
Joshua Kimmich gegen Galatasaray Istanbul wohl in der Startelf neben Konrad Laimer
Tuchel bestätigte aber auch: "Natürlich gibt es Überlegungen wegen der Sperre am Samstag." Dennoch kehrt Kimmich am Mittwoch auf die Sechser-Position zurück, wohl mit Laimer an seiner Seite, weil es danach aussieht, dass Mittelfeldmann Goretzka den noch nicht 100-prozentig fitten Upamecano (vier Wochen Pause nach Muskelfaserriss) in der für ihn ungewohnten Abwehrmitte ersetzen wird.
Schon vor dem Dortmund-Spiel stärkte Tuchel Kimmich, widerlegte indirekt Überlegungen, ihn wieder auf die Rechtsverteidiger-Position zu stellen mit den Worten: "Joshua fühlt sich in der Mitte am wohlsten, er will jeden Ball, duckt sich nie vor Verantwortung. Das fehlt uns alles. Auch gefährliche Freistöße und Chipbälle." Ganz neue Tuchel-Töne.