Nach Barca-Klatsche: Die Kritik an Neuer wird immer lauter

München - Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen. Und wenn der FC Bayern verliert, nimmt die Schadenfreude kein Ende bei Nicht-Sympathisanten des Rekordmeisters. "Ein Schuss, ein Gegentor, die Bayern", war nach der 1:4-Packung am Mittwoch in der Champions League beim FC Barcelona im Netz zu lesen. Vor allem Torhüter Manuel Neuer bekam sein Fett weg. Vier Mal visierte Barça das Münchner Tor an, vier Mal war der Ball drin. Jeder Schuss ein Treffer.
Manuel Neuer schien zu seinem früheren Spiel zurückgefunden zu haben - eigentlich
Wo war Neuer? Überall und nirgendwo. Mittendrin, aber nicht so richtig dabei. DFB-Rekordnationalspieler Lothar Matthäus formulierte es in "Bild" knallhart: "Ich will Manuel nichts Böses, aber er ist im Moment nicht der Rückhalt für die Mannschaft, wie er es in der Vergangenheit war. Manuel Neuer ist gerade nicht Manuel Neuer. Denn er hält nicht die unhaltbaren Bälle, sein Torwartspiel hat sich verändert." Dabei schien es, als dass der 38-Jährige unter dem neuen Trainer Vincent Kompany eher zu seinem früheren Spiel zurückgefunden hat.
Wie einst Manu, der Libero, der beim WM-Triumph 2014 in Brasilien atemberaubende Ausflüge bis an die Mittellinie machte und als bester Torhüter des Turniers ausgezeichnet wurde. Als mitdenkender, mitspielender Torhüter, der sehr hoch vor seinem Strafraum steht, um Gegenangriffe frühzeitig abzuwehren, um als "Sweeper Keeper" seinen Innenverteidigern Dayot Upamecano und Min-jae Kim zur Hilfe zu kommen, wenn sie überspielt oder überlaufen werden. Was in Barcelona mehrmals geschah.
Matthäus über Neuer: "Ich hoffe, dass er bald zu seinem alten Spiel und der Sicherheit zurückfindet"
Bedeutet Kompanys Vorgabe an Neuer ein unkalkulierbares Risiko? "Das ist unser Spiel", erklärte Neuer jüngst und lobte den Ansatz: "Das ist gerade im Ballbesitz sehr wertvoll und auch gegen den Ball." Unverhandelbar? Ohne Anpassungen? Für diese Variante muss Neuer in Top-Form sein. Ist er aber nicht. "Früher hat Manuel jede Situation antizipiert, er hatte den 360-Grad-Blick, hat schon mit einem Aufbaupass Angriffe eingeleitet", sagte Matthäus, "aktuell gibt er der Abwehr keine Sicherheit. Ich hoffe, dass er bald zu seinem alten Spiel und der Sicherheit zurückfindet."
Die Statistik sagt: Neuer wehrt in der Bundesliga nur knapp über 40 Prozent der Schüsse auf sein Tor ab. Nächster Beweistermin, die Quote zu verbessern: am Sonntag (15.30 Uhr, DAZN und im AZ-Liveticker) auswärts beim VfL Bochum.
Der gesamte Defensiv-Verbund wirkt verunsichert. Je sieben Gegentreffer kassierten die Bayern in der Bundesliga (an sieben Spieltagen) und in der Champions League (in drei Spielen) - zu viel. Ex-Bayern-Profi Markus Babbel witzelte am Mittwoch in einem "Bild"-Talk, dass Neuer "spiele, als hätte er Skischuhe an". Polemisch. Der frühere Bayern-Trainer Felix Magath meinte: "Ich habe ein bisschen Sorge. Er ist ein ausgezeichneter Torhüter. Die Fehler, die er gemacht hat, sind untypisch." Laut Matthäus fehle ihm "Spielglück".
Die Wahrheit ist aber auch: Durch das hohe Verteidigen kommen gegnerische Stürmer oft blank, sprich völlig frei, vor Neuer zum Abschluss.
Neuer-Dämmerung im 14. Jahr beim FC Bayern?
2011 wechselte der gebürtige Gelsenkirchener vom FC Schalke 04 zu den Bayern. Hat in seiner 14. Saison die Neuer-Dämmerung begonnen? Reicht es einfach nicht mehr? Neuer sei "mittlerweile in einem gewissen Alter, wo die biologische Uhr tickt", sagte Ex-BVB-Torhüter Roman Weidenfeller bei Sky, nahm den so Gescholtenen aber in Schutz. Er sei "irritiert über die Kritik", denn, so Weidenfeller weiter: "Es ist logisch, dass die Reaktionsfähigkeit und vielleicht auch das Leistungsvermögen ein bisschen abnimmt, aber da reden wir immer noch über einen international total erfahrenen Weltklasse-Torwart."
Bayerns Bosse wollen den Vertrag von Neuer um ein weiteres Jahr bis 2026 verlängern - noch vor Weihnachten soll Klarheit herrschen. Es wäre ein deutliches Signal nach innen und außen. Für Kronprinz Alexander Nübel (28), aktuell von den Bayern an den VfB Stuttgart ausgeliehen, würde das bedeuten: Weiter in Geduld üben - und 2026 an der Säbener Straße aufschlagen. Als Neuer-Erbe.