"Mull" und Eder: Koryphäen am Spielfeldrand

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Klaus Eder sind Koryphäen auf ihren Gebieten. Auch die Nationalspieler vertrauen ihnen voll und ganz.
von  SID
Jerome Boateng feiert sein erstes EM-Tor mit der medizinischen Abteilung an der Seitenlinie.
Jerome Boateng feiert sein erstes EM-Tor mit der medizinischen Abteilung an der Seitenlinie. © dpa

Bordeaux - Jerome Boateng sprang dem Doc nach einem Jubellauf über das halbe Feld glückselig in die Arme, Bastian Schweinsteiger führte mit ihm sogar einen Tanz auf: Nach ihren Toren bei der EM in Frankreich kannten der Abwehrchef und der Kapitän nur einen Weg: Raus zur Seitenlinie, zu "Mull". Zu Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem Arzt ihres Vertrauen. Und zu Klaus Eder, dem Physiotherapeuten. Zu den Männern, denen sie zu verdanken hatten, dass sie überhaupt auf dem Feld standen.

"Ohne sie hätte ich nicht spielen können", sagte Boateng über Müller-Wohlfahrt und Eder: "Jeder weiß, dass sie die letzten Tage Vollgas gegeben haben. Da habe ich mich bedankt."

"Vertrauen in die Physiotherapeuten ist imens groß"

Dass das DFB-Team bis zum Viertelfinale am Samstag gegen Italien so problemlos und sogar ohne Gegentor durch die EM kam, ist nicht zuletzt auch das Verdienst der medizinischen Abteilung. Neben Schweinsteiger und Boateng waren auch Mats Hummels, Mario Götze und Sami Khedira vor oder während des Turniers angeschlagen, wegen leichterer Blessuren legten auch Julian Weigl und Marc-André ter Stegen Trainingspausen ein. An den Spieltagen hieß es aber dennoch fast immer: Alle 23 Mann an Bord! Lediglich Hummels im ersten Spiel war nicht einsatzbereit.

"Mein Vertrauen in die Physiotherapeuten und Ärzte ist immens groß", sagte Bundestrainer Joachim Löw: "Wie sie arbeiten, ist klasse. Sie sind ein eingespieltes Team, das sich untereinander hervorragend versteht und ergänzt. Und sie arbeiten fast jeden Tag rund um die Uhr."

Noch deutlicher drückte es Berti Vogts aus. Vor 20 Jahren, während der EM 1996. "Die Mediziner haben Unmenschliches geleistet", sagte der Bundestrainer damals. Kapitän Jürgen Klinsmann war nach einer Wadenverletzung in Rekordzeit wieder einsatzbereit, die "Wade der Nation" hielt. Deutschland holte den bis heute letzten EM-Titel.

Müller-Wohlfahrt und Eder waren damals schon dabei. Eder (63) stieß kurz vor der Heim-EM 1988 zur Nationalmannschaft. Müller-Wohlfahrt erst 1995, nachdem er schon seit 1977 die Stars beim FC Bayern versorgte. Der Pastorensohn aus dem ostfriesischen Wittmund gilt als Koryphäe. Die Bayern-Stars fuhren sogar nach seinem Rücktritt beim Rekordmeister in dessen Praxis.

Sogar der vielleicht größte Sportstar abseits des Fußballs vertraut "MW", der auch mit 73 noch längst nicht an Rente denkt. "Der Doktor ist ein ganz großer Mann", sagte Usain Bolt, nachdem ihn Müller-Wohlfahrt rechtzeitig vor den Olympischen Spielen 2012 fit bekam: "Er hat einen tollen Job gemacht. Ein Stück der Goldmedaille geht auch nach Deutschland."

Den zwickenden Rücken des Sprintstars aus Jamaika behandelte der Doc damals mit flüssigem Stickstoff, Bolt holte wie schon 2008 alle drei möglichen Goldmedaillen. "Er ist der beste Arzt der Welt", sagte er.

Das sehen auch die Nationalspieler so. Und sie vergessen es auch nach Toren nicht.

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