Mull sei Dank! „Ich habe viel über meinen Körper gelernt“

Mehmet Scholl schwärmt von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem scheidenden Bayern-Doc. „Einer zwischen Genie und Wahnsinn!“
von  Abendzeitung
Ob Bundestrainer Joachim Löw oder Bayern-Coach Jupp Heynckes, seit Jahrzehnten schwören Fußballlehrer und Fußballer wie Mehmet Scholl (r) auf  Müller-Wohlfahrts Künste.
Ob Bundestrainer Joachim Löw oder Bayern-Coach Jupp Heynckes, seit Jahrzehnten schwören Fußballlehrer und Fußballer wie Mehmet Scholl (r) auf Müller-Wohlfahrts Künste. © Rauchensteiner/Augenklick

Mehmet Scholl schwärmt von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem scheidenden Bayern-Doc. „Einer zwischen Genie und Wahnsinn!“

MÜNCHEN Im Wartezimmer der ehemaligen Arztpraxis in der Fürstenfelderstraße hätte man an manchen Vormittagen auch die Verleihung des Laureus Sports Awards durchführen können. Boris Becker, Steffi Graf, die Sprinter Merlene Ottey und Linford Christie, Skiflieger Sven Hannawald, Katarina Witt oder Franziska van Almsick – alle kamen sie zu ihm, zu Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, nebenbei Vereinsarzt des FC Bayern und verantwortlich für die Nationalelf.

Nun hat er Schluss gemacht.

Nach 31 Jahren nimmt der 66-Jährige Abschied vom FC Bayern, er wird nur noch Berater des Rekordmeisters sein, sich hauptsächlich aber um seine neue Praxis kümmern. Die Bayern-Stars werden fortan ausschließlich auf dem Vereinsgelände behandelt, dort hat Rüdiger Degwert (49), seit Januar 2007 Mannschaftsarzt, im Sommer eine Praxis eröffnet.

„Der Mull", wie ihn alle nennen, war mehr als nur ein Arzt. Neben dem jeweiligen Trainer war er die zweitwichtigste Person im Verein. Klar: Schließlich ist der Körper das Kapital der Profis. Manch Karriere wäre ohne Müller-Wohlfahrt anders verlaufen, etwa die von Lothar Matthäus. Geplagt von vielen Verletzungen – von einem Kreuzbandriss bis hin zu einem Achillessehnenriss – schwärmte er einst von Müller-Wohlfahrts „Radarfingern". Und später auch von dessen Tochter. Mit Maren war der Ex-Kapitän zwischen 1999 und 2001 liiert.

Ein weiterer Stammgast war Mehmet Scholl. Die Liste seiner Verletzungen ist beinahe unendlich. Nur ein Auszug: Ein Mittelfußbruch, eine schwere Sprunggelenksverletzung (dadurch verpasste er die WM 1998), eine Bandscheiben-Operation, ein doppelter Jochbeinbruch, eine Fraktur des Augenhöhlenbodens.

Doch Scholl hatte Mull. „Ich habe wahnsinnig von ihm profitiert“, sagte er gestern der AZ. Als Scholl mit 21 Jahren vom Karlsruher SC zum FC Bayern kam, wurde ein Röntgenbild seiner Wirbelsäule gemacht. Im Mai 2007, als Scholl aufhörte, erneut. Scholl: „Das Ergebnis: Die Wirbelsäule war besser! Seine Rückenkuren mit den verschiedenen Spritzen und Bewegungstherapien, die wir gemacht haben, waren für mich Gold wert."

Ohne Mull wäre Scholl nicht in Mailand 2001 dabei gewesen. „Ich bin ihm ewig dankbar, dass ich das Champions-League-Finale gegen Valencia schmerzfrei spielen konnte, da ich einen Innen- und Außenbandriss sowie einen Syndesmosebandanriss hatte", erzählt Scholl. Mittlerweile ist der Ex-Publikumsliebling, der heute die U13-Junioren der Bayern als Coach betreut, mit Mulls Sohn Kilian eng befreundet. Scholl hat Kenntnisse in Medizin erworben - Doc sei Dank. „Zwischen Genie und Wahnsinn – auf Mull trifft das zu. Ich habe viel von ihm über meinen Körper gelernt, habe durch ihn selbst gespürt, wo etwas nicht in Ordnung war“, sagte er. „Nicht umsonst sind zu ihm so viele Sportler aus aller Welt gekommen. Er hat sich Tag und Nacht Gedanken darüber gemacht, wie er einem Spieler helfen kann, er war immer für die Spieler da.“ Ab sofort nur noch privat.

Patrick Strasser

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