Müller selbstbewusst: „Konkurrenz belebt das Geschäft“
München - Die Affinität für wirtschaftliche Themen hat sich Thomas Müller höchstwahrscheinlich von seinem Präsidenten bei Bayern München abgeschaut. Kommt man in das Büro von Uli Hoeneß, läuft so gut wie immer der Fernseher. Auf dem Bildschirm: Aktienkurse. Nun ist Müllers persönlicher Kurs in den vergangenen beiden Spielzeiten nicht unbedingt auf einem Hoch gewesen, das weiß der Nationalspieler selbst. „Aber in der Wirtschaft belebt Konkurrenz das Geschäft. Das Team hat sich durch die Neuzugänge verbessert – und ich will mich auch verbessern“, sagte der 22-Jährige der dapd Nachrichtenagentur.
Das Motto „Müller spielt immer“, das unter Louis van Gaal Gültigkeit hatte, gibt es schon lange nicht mehr. Müller spielte zuletzt meistens, mal hier, mal da, mal mehr, mal weniger – aber eine weitere Saison als Lückenfüller, das will er nicht. „Wenn ich meine Topleistung finde, werde ich auf dem Platz sein“, sagt der WM-Torschützenkönig von 2010 selbstbewusst und mag damit sogar Recht haben. Ihm selbst ist aber genau wie Jupp Heynckes klar, dass es ein langer Weg zurück ist.
„Ich erwarte von Thomas Müller, dass er der Thomas Müller wird wie 2010: unberechenbar, läuferisch unheimlich stark, torgefährlich, mannschaftsdienlich, unermüdlich im Einsatz“, sagte der Trainer in der vergangenen Woche. Welpenschutz genießt Müller unter ihm nicht mehr. Der Offensivspieler muss sich beweisen wie alle anderen. Tag für Tag. Einen echten Stammplatz wie Franck Ribery auf der linken Außenbahn hat der gebürtige Weilheimer nicht in Münchens Starensemble. Auch in der Nationalmannschaft machen Marco Reus und Andre Schürrle Müller nach der torlosen EM den Platz streitig. Müller ist vielseitig, er „verfügt über ein unglaubliches Repertoire vor dem Tor“, sagt Heynckes: „All das muss er wieder herauskramen.“
Er kann rechts spielen, in der Mitte, sogar als Stürmer – und deshalb muss er noch mehr arbeiten. 32 Tore in 106 Einsätzen für den Rekordmeister hat Müller in den vergangenen vier Spielzeiten geschossen, in der zurückliegenden aber waren es lediglich sieben. „Ich weiß, dass ich mehr Tore hätte schießen können. Die Saison war einfach nicht so, wie wir sie uns vorgestellt haben“, sagt er.
Mit seinem vermeintlichen Siegtreffer im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea hätte Müller als Held in die Geschichtsbücher des FC Bayern Einzug halten können, doch es kam bekanntlich anders. Nach der Saison ohne Titel soll ein anderer Wind wehen in München, das merkt man auch Müller an. „Ich spüre, dass ich Lust habe, Gas zu geben. Das ist eigentlich das ganze Geheimnis“, sagt er forsch. In seinen beiden ersten Testspielen im Rahmen der viertägigen China-Reise wirkte Müller frisch, sorgte nach vorne für Gefahr.
Heynckes lobte („sehr zufrieden mit ihm“) – und der Liebling der Massen war Müller sowieso. „Muller“, „Muller“, hörte man die tausenden Fans auf den Stationen in Peking und Guangzhou häufig kreischen. Drei chinesische Damen hatten sich sogar die Mühe gemacht, ein Transparent zu malen, auf dem zu lesen war: „Thomas Müller, Du bist alles Vergangenheit, Jetzt Zukunft“.
Die Inschrift sollte ihr Idol nach zwei Spielzeiten ohne Titel wohl aufheitern. Die kreischenden chinesischen Fans („gutes Gefühl“) kennen noch den Müller, der bei seiner ersten WM vor zwei Jahren zum Shootingstar wurde. Den, der fünf Tore schoss, drei vorbereitete und zur Allzweckwaffe im deutschen Fußball auserkoren wurde. Eigentlich ist er das immer noch. Und Müller hofft auf steigende Kurse – nicht nur in Hoeneß' Büro, auch für sich selbst.