Müller: "Das Scheiß-Ding muss endlich nach München"
Die große Euphorie bei Bayern München blieb nach dem beeindruckenden Einzug ins deutsche Traum-Finale der Champions League weitgehend aus. Der Rekordmeister ist zu sehr auf das Triple fokussiert.
Barcelona/München - Euphorie kam nach einem „historischen Abend“ nur kurz auf. Als Karl-Heinz Rummenigge bei seiner obligatorischen Bankett-Rede gegen Mitternacht ausrief, 'dass diese Mannschaft die Geschichtsbücher des FC Bayern neu schreiben kann – und ich bin überzeugt, wir packen das: Ihr seid ein verschworener Haufen", erhoben sich die rund 500 Edel-Fans im Kongress-Saal des noblen Hotels Hesperia in Barcelona und klatschten lautstark Beifall.
Ansonsten zeigte sich der deutsche Fußball-Rekordmeister nach dem Einzug ins deutsche Traumfinale der Champions League gegen Borussia Dortmund und einer erneut beeindruckenden Machtdemonstration bei Seehecht baskischer Art und Rinderfilet noch nicht in großer Feierlaune. Es gab zwar schon in der Kabine das eine oder andere Bier, aber ansonsten „waren die Feierlichkeiten schon etwas enttäuschend“, merkte Thomas Müller mit einem Grinsen an.
Ein rauschendes Fest wollen die Bayern erst feiern, wenn sie endlich das lange ersehnte Triple perfekt gemacht haben. „Die Freude war schon sehr groß, aber man hat auch die zwei verlorenen Finals im Hinterkopf. Wir arbeiten darauf hin, dass wir dieses Scheiß-Ding endlich nach München holen. Darauf sind wir fokussiert“, unterstrich Müller nach dem 3:0 (1:0) im Halbfinal-Rückspiel beim großen FC Barcelona mit Blick auf das Endspiel gegen den BVB am 25. Mai in London.
Darauf ist bei den Bayern alles ausgerichtet, auch wenn Vorstandschef Rummenigge das Team vor dem Final-„Vorspiel“ am Samstag in der Liga beim BVB quasi zum (Be-)Trinken aufgefordert hatte: „Wir haben ein ganz leichtes Auswärtsspiel. Ihr braucht Euch nicht vorbereiten, lasst es krachen, wir sind schon deutscher Meister.“
Deutscher Meister schon, aber eben nicht Pokal- und vor allem nicht Champions-League-Sieger. 'Die Motivation ist extrem groß, wir sind extrem heiß – und guter Dinge", sagte Müller. „Wenn man zum dritten Mal in vier Jahren im Finale steht, dann muss natürlich auch der Pott her, ganz klar“, betonte Kapitän Philipp Lahm, der ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift 'Finale – Wembley 2013" trug.
Dass der FC Bayern anno 2013 in der Lage ist, die wichtigste Trophäe zum ersten Mal seit 2001 und zum fünften Mal insgesamt nach München zu holen, steht nicht nur für Rummenigge nach einem „wunderbaren und historischen Abend“ außer Frage. Schon vor dem geplanten Happy End schwärmte der Bayern-Boss von „einer Saison, wie ich sie noch nicht erlebt habe“ und von „einer großartigen Mannschaft mit einem großartigen Trainer“. Es sehe alles so einfach aus, „aber es ist konzentrierte, harte Arbeit“.
Bei allem Selbstvertrauen: Große Töne in Richtung Dortmund ersparten sie sich trotz des famosen 7:0 in zwei Spielen gegen Lionel Messi und Co. „Ich möchte jetzt keine Kampfansage in Richtung Dortmund losschicken, dazu sind wir viel zu stilvoll“, erklärte Rummenigge. Es sei zwar „für Deutschland grandios“, dass es nun zum Duell der beiden großen Liga-Rivalen komme, sagte Lahm, „aber für uns spielt der Gegner keine Rolle“. Man wolle „den Druck nicht noch unnötig erhöhen“, meinte auch Superstar Arjen Robben zurückhaltend: „Lasst uns lieber den Augenblick genießen.“
Den Augenblick konnte trotz aller privater Probleme wegen seiner Steuer-Affäre sogar der schwer angeschlagene Präsident Uli Hoeneß genießen. Der 61-Jährige verfolgte den „Hochgeschwindigkeitsfußball“ (Trainer Jupp Heynckes) seiner Bayern in der ersten Reihe der Ehrentribüne des Camp Nou mit großer Genugtuung. Bei den Toren von Robben (48.), Gerard Pique (72., Eigentor) und Müller (76.) klatschte er jubelnd mit Rummenigge ab. „Die Mannschaft und ich besonders haben auch für Uli gespielt. In der letzten Zeit hat er Unwahrscheinliches ertragen müssen“, sagte Heynckes bei Sky: „Ich habe alles getan, dass wir das Spiel für Uli gewinnen.“
Dies ist seinem Team eindrucksvoll gelungen. „Wir alle haben großen Hunger auf Erfolg. Wir arbeiten defensiv überragend, wir sind reifer geworden. Wir sind eine Einheit und wir haben Ziele“, beschrieb der 67-Jährige die Erfolgsformel der Münchner nach einem Spiel „auf ganz hohem Niveau“. Besonders stolz war Heynckes, der in Barcelona nach dem Spiel erstmals sein Karriereende im Sommer andeutete, auch darauf, dass trotz sechs vorbelasteter Spieler kein einziger fürs Finale gesperrt ist: „Wir waren clever und sehr diszipliniert.“
Entsprechend gelassen konnte der Bayern-Coach auch der Bundesliga-Partie am Samstag in Dortmund entgegenblicken. Allzu große Erwartungen dämpfte er aber bereits im Vorfeld: „Ich denke nicht, dass man von Generalprobe reden kann. Es werden sicher beide Teams kräftig rotieren. Das Spiel hat keine Aussagekraft.“ Es würden viele andere Spieler auf dem Feld stehen, deutete auch Robben an, „aber das ist auch gut so“.