"Mir gefällt alles, was er macht": Tuchels Loblied auf neuen FC-Bayern-Unterschiedsspieler Raphaël Guerreiro

München – Zur Pause des Topspiels zwischen dem FC Bayern und RB Leipzig sah es aus, als bräuchte der Rekordmeister ein kleineres Fußballwunder, um nochmal in die Partie zu kommen. Die Gastgeber hatten, nach den beiden schnellen Treffern von Loïs Openda (20.) und Castello Lukeba (26.), alles im Griff. Wann immer die Münchener versuchten, sich dem letzten Drittel zu nähern, spürte man, wie sie vor ein summendes und vibrierendes Starkstromaggregat liefen, dem immer wieder ein Blitz entwich. Nahezu jeder Ballverlust hätte dazu führen können, dass wenige Sekunden später Openda, Xavi Simons oder Yussuf Poulsen frei vor Sven Ulreich auftauchen.
FC Bayern: Tuchel erklärt Guerreiro-Effekt
Thomas Tuchel war in der Halbzeit gefordert und brachte, neben Mathys Tel auch Raphaël Guerreiro. Der Neuzugang aus Dortmund kam für den enttäuschenden Leon Goretzka, gab sein Bundesligadebüt im Bayern-Trikot und wusste sofort zu überzeugen. "Ich weiß, dass Rapha ein Selbstvertrauen hat, das genährt ist, von seinem Spielverständnis und dass uns das guttun wird, weil er einfach schlau in den Zwischenräumen ist und jeden Ball haben will und sich selber vertraut", erklärte Bayerns Coach. Worte, die den Portugiesen stärken – und Goretzkas ohnehin schwieriges Standing bei Tuchel nicht zwingend verbessern dürften.
Es dauerte keine Viertelstunde, bis Guerreiro dieses Selbstvertrauen erstmals unter Beweis stellte. Als der Ball vor dem Strafraum flipperte, behielt Guerreiro die Übersicht und zog sofort wuchtig ab. Der Versuch strich nur knapp am rechten Pfosten vorbei. Dennoch gewann der FC Bayern durch diesen Wechsel an Dominanz, an (Ball-)Sicherheit, Passgenauigkeit und Passschärfe, Das Leipziger Starkstromaggregat der ersten Hälfte wurde zu einer elektrostatischen Entladung auf dem grünen Teppich der Red Bull Arena reduziert.
"Mir gefällt fast alles, was er macht": Tuchel schwärmt von Musterschüler Guerreiro
Nicht erst seit diesem Auftritt ist Guerreiro Tuchels Lieblingsschüler. "Das ist eine persönliche Geschichte, weil mir fast alles gefällt, was er macht", schwärmte Tuchel nach dem 4:0-Sieg im DFB-Pokal bei Preußen Münster.

Diese Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit: "Es war nur ein Jahr. Aber wir haben zusammen den Pokal gewonnen. Wir hatten viele schöne Momente zusammen. Deshalb habe ich sofort daran gedacht, wieder für ihn zu spielen, als er angerufen hat", erklärte Guerreiro in seinem Willkommens-Interview auf den vereinseigenen Kanälen.
In dieser einen Saison unter Thomas Tuchel, 2016/17, entwickelte sich Guerreiro enorm weiter und wurde, vom einfachen Linksverteidiger zum Mittelfeld-Allrounder: "Ich war überrascht, als er mich erstmals dorthin gestellt hat, weil ich vorher noch nie dort gespielt habe. Ich habe manchmal auf der linken Seite gespielt, aber nie innen. Das erste Spiel war richtig gut – und dann hat er mich im Mittelfeld gelassen. Dank ihm habe ich viel über diese Position gelernt."
"Denkt zwei Schritte voraus": Was Guerreiro für den FC Bayern besonders wertvoll macht
Bereits zu BVB-Zeiten erkannte Tuchel, was er vor dem Spitzenspiel in Leipzig nochmal bestätigte: Guerreiro "ist sehr ballsicher, sehr schlau hat einen ganz klaren linken Fuß. Allen Entscheidungen, die er trifft, merkt man an, dass er zwei Schritte vorausdenkt." Das würde ihn zur wertvollen Alternative als Linksverteidiger und auf den Halbpositionen im Mittelfeld machen.
Von dort wurde Guerreiro in der abgelaufenen Rückrunde mit zwölf Assists bester Vorlagengeber der Saison, vor Randal Kolo Muani (elf) und Jamal Musiala sowie Florian Kainz (je zehn) und war maßgeblich an der Dortmunder Aufholjagd in der Tabelle beteiligt.
Tuchel erwartet bei Guerreiro keine lange Eingewöhnungszeit
Um in München dieselbe Spielfreude auszustrahlen, ist es, laut Tuchel wichtig, "dass er mit einem Lächeln auf dem Platz steht und Spaß hat und Freude hat."
Nach seinem "guten Einstand" sollte beides reichlich vorhanden sein. Reichlich Eingewöhnungszeit erwartet Tuchel bei Guerreiro übrigens nicht. Damit hätte der FC Bayern einen möglichen Protagonisten mehr für die kommenden Wochen, wenngleich im Alter von 29 Jahren, keinen ganz jungen.