Michael Skibbe: Frankfurts Frontmann
FRANKFURT - Als Pro-forma-Bundestrainer eilte Michael Skibbe der Ruf des „Fehler-Flüsterers“ voraus. Bei der Eintracht hat er sich nun lautstark etabliert. Im Januar soll sogar sein Vertrag verlängert werden
Es wird ein langes Wochenende für Michael Skibbe in München, so viel steht schon einmal fest. Mit der Anreise am Freitag und dem Bundesligaspiel am Samstag (15.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) beim FC Bayern ist es für den früheren Bundestrainer nämlich nicht genug an Verpflichtungen. Am Münchner Flughafen wartet am Sonntag noch ein weiterer Termin auf den 45-Jährigen: Skibbe ist der Stargast beim „Doppelpass" und die Fernseh-Talkrunde mit Jörg Wontorra gilt für den Trainer von Eintracht Frankfurt als das ideale Podium, seine Arbeit vor einem Millionenpublikum ins rechte Licht zu rücken.
Viele glauben, dass der Vielredner dabei in der bayrischen Landeshauptstadt eine bessere Figur abgeben wird als seine ersatzgeschwächte Mannschaft am Tag zuvor. Ohne die gesperrten Georgios Tzavellas und Maik Franz sowie den verletzten Benjamin Köhler fehlen wichtige Stabilisatoren der Abwehrkette, zudem ist nach zwei enttäuschenden Leistungen (0:0 bei Werder Bremen, 0:4 gegen TSG Hoffenheim) wieder eine gewisse Ernüchterung eingekehrt.
Doch Skibbe wäre nichtSkibbe, würde er nicht dagegen anreden: „In München haben in dieser Saison schon einige Mannschaften punkten können, das ist auch unser Ziel", sagte er und forderte seine Profis auf, „so mutig wie möglich aufzutreten." Wenn der in Gelsenkirchen geborene Fußballlehrer parliert, hört sich das gut an – rhetorisch ist er einer der Besten seiner Zunft.
Aber ist er auch ein wirklich guter Trainer? Noch immer sind die Meinungen geteilt, weil ihm als rechte Hand des damaligen DFB-Teamchefs Rudi Völler das zweifelhafte Prädikat des „Fehler-Flüsterers“ angeheftet wurde. Auch die Entlassungen als Vereinstrainer bei Borussia Dortmund (2000), Bayer Leverkusen (2008) oder Galatasaray Istanbul (2009) mehrten nicht gerade seine Reputation. Erst als neuer Frankfurter Frontmann hat der Vater von vier Töchtern wieder an Profil gewonnen – vor allem auch, weil er es gleich in seiner Anfangszeit wagte, dem mächtigen Vorstandschef Heribert Bruchhagen öffentlich zu widersprechen.
Im Herbst vergangenen Jahres legte sich der Chefcoach so häufig mit seinem Vorgesetzten an, dass eine Entlassung drohte. Nun haben beide Seiten erkannt, dass es sich wohl nicht lohnt, weiter im Sinne der Sache zu streiten. Bruchhagen kündigte nun die baldige Vertragsverlängerung an: „Michael hat gesagt, dass er im Januar gerne darüber sprechen würde. So wird es kommen."
Skibbe hat in der Mainmetropole einen idealen Arbeitgeber gefunden, denn hier werden von ihm keine Titelgewinne verlangt, sondern es genügt, dass unter seiner Anleitung eine Handschrift zu erkennen ist, die sich bitteschön vom defensivorientierten Zweckfußball seines blassen Vorgängers Friedhelm Funkel abhebt.
Die Weiterentwicklung ist in knapp anderthalb Jahren eindrucksvoll gelungen. Skibbe hat neue Türen für einen scheinbar im Mittelmaß gefangenen Klub geöffnet, denn ohne ihn hätte die Eintracht nicht ein ambitioniertes 50-Punkte-Ziel für diese Spielzeit öffentlich gemacht; ohne ihn würde der wichtige Mittelfeldmann Pirmin Schwegler nicht in Frankfurt spielen und Torjäger Theofanis Gekas nicht so oft treffen. Dass der nach einem Knorpelschaden zum Ersatzmann degradierte Ioannis Amanatidis in dieser Woche stänkerte, das Leistungsprinzip gelte nicht mehr, widersprach Skibbe energisch wie eloquent. Seine Leitlinien sind klar und nachvollziehbar, seine Ziele artikuliert er deutlich und nachhaltig. Im Berufsleben geht dieser Mann als totaler Kopfmensch durch – aus dem Privatleben ist anderes zu hören.
Nicht gerade imagefördernd war die Geschichte, als Skibbe in seiner Leverkusener Zeit mit intimen Fotos aus seinem entwendeten Mobiltelefon erpresst wurde. Und auch in der Bankenstadt eilt ihm der Ruf des Lebemannes nach. Zum einen ist das Privatsache, zum anderen interessiert das nicht sonderlich, so lange Skibbe rechtschaffen seinen dienstlichen Verpflichtungen nachkommt. Die ja, wie dieses Wochenende in München, umfangreich und zeitintensiv sind.
Frank Hellmann