Meister nur im Streiten

Höchste Brüllstufe mit Anfassen: Thomas Müller gerät mit Jérome Boateng aneinander. „Wir sind ja keine Mädchen”
von  Patrick Strasser
Da flogen die (verbalen) Fetzen: Thomas Müller und Jerome Boateng im Zwist.
Da flogen die (verbalen) Fetzen: Thomas Müller und Jerome Boateng im Zwist. © firo

LEVERKUSEN Natürlich – man kann es positiv sehen. Wenn man will. Und vor allem, wenn man muss – in der Pflicht der rosa Brille eben. Motto: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Ist doch super, so ein Zoff innerhalb einer Mannschaft. So wollten die Beteiligten und Verantwortlichen das Anbrüllen am Arbeitsplatz zwischen Thomas Müller und Jérome Boateng beim 0:2 in Leverkusen herunterspielen.


Etwa so: Besser als einschlafen. Aggressionen helfen. Ja? Wirklich? Wem? Und wie?


0:2 verlor der FC Bayern bei Bayer. Und die beiden Nationalspieler die Fassung, weil sie sich in der 29. Minute auf dem Platz wegen ausgebliebenem Abwehrverhalten zofften. Es ging um Leverkusener Gegenspieler auf der rechten Bayern-Seite. Blindes Unverständnis. Nimm du ihn, ich hab’ ihn sicher. Höchste Brüllstufe mit Anfassen. Bevor es wirklich handgreiflich wurde, kamen Rafinha, Neuer und Kapitän Lahm, um die Streithähne zu trennen.


„Wir waren da nicht gut abgestimmt, haben uns nicht gut verständigt”, sagte Müller am Sonntag, „es liegt sehr viel Druck auf allen Beteiligten, da kommt es schon mal zu solchen Situationen. Wir sind beide nicht nachtragend.” Boateng meinte: „Das passiert im Fußball, da muss man sich auch mal was sagen können. Wir sind ja keine Mädchen.” Ein ganz normales Verhalten unter männlichen Kollegen also? „Das war früher so, vor fünf Jahren so und ist heute so”, wiegelte Jupp Heynckes ab, „es gehört dazu, dass Emotionen gelebt werden.” Arjen Robben sagte bei „Liga total!”: „Das ist gar nicht schlecht. Ich finde das eher gut, manchmal darf es auch ein bisschen mehr sein. Es muss bisschen Feuer in die Mannschaft!”


Als ob es nicht schon genug brennen würde innerhalb der Mannschaft. Ex-Schiedsrichter und Sky-Experte Markus Merk sagte: „Das ist nicht das erste Mal, dass das auf dem Feld passiert. Da sieht man, dass die Harmonie im Team nicht gegeben ist.” Beim Champions-League-Hinspiel in Basel (0:1) hatten die Beteiligten den Zoff wenigstens vor die Kabine verlegt, zu hören war das Geschreie zwischen Müller – erneut Müller – und Holger Badstuber gut. Ein reinigendes Gewitter? Immerhin folgte darauf eine kollektive Aussprache und das 2:0 gegen Schalke.


In Leverkusen auf den Zwischenfall zwischen Müller und Boateng angesprochen, sagte Heynckes: „Es sind zwei Spieler, die sich im zwischenmenschlichen Bereich sehr gut verstehen. Sie spielen schon seit der Jugend zusammen beim FC Bayern. Deshalb sollte man dem nicht allzu viel Bedeutung beimessen.” Da hat Henyckes im Eifer des Gefechts was durcheinander gebracht: Nicht Boateng, im Sommer erst zu Bayern gewechselt, sondern Badstuber und Müller spielen seit der Jugend zusammen.


Sei’s drum: Die internen Auseinandersetzungen sind eher Beleg dafür, wie angekratzt das Nervenkostüm aller Beteiligten derzeit ist. Wo ein Zoff, da ein Konflikt. Und geht man füreinander im Spiel durchs Feuer, wenn man im Clinch liegt? Meister im Streiten sind die Bayern - dieser Titel ist ihnen 2012 nicht mehr zu nehmen.

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