Mehmet Scholl hakt Aufstieg ab
Nach dem dritten Remis im dritten Spiel überrascht Bayerns Trainer Mehmet Scholl mit einer neuen Zielsetzung – und fragt: „Wen habe ich denn verpflichtet? Totti, Lahm, Khedira oder Ramos?”
MÜNCHEN Zugegeben, drei Unentschieden aus drei Spielen in der neuen Regionalliga Bayern sind sicher nicht die Bilanz, die sich alle erwartet hatten von Mehmet Scholl und seinen Jungs. Ein Stotter-Start. Nicht optimal, aber so was kann den besten Mannschaften passieren, wenn sie sich noch einspielen müssen.
So könnte man es sehen. Doch Scholl, seit dieser Saison wieder Trainer der Bayern-Amateure, scheint gar keine Lust zu haben, den Stolperstart seiner jungen Truppe positiv verkaufen zu wollen. Nach dem 1:1 in Heimstetten verabschiedete sich der Ex-Profi von allen Titel- und Aufstiegsambitionen. „Für mich ist klar: Stand heute ist der Aufstieg in dieser Saison nicht das Ziel. Das kann es nicht sein”, sagte Scholl in die Kamera von bfv.tv, der Internet-Sportschau der Regionalliga-Bayern.
Wie bitte? Ein Bayern-Trainer, der nicht den Titel als oberste Zielsetzung hat? Ob sich Scholl mit dieser Tiefstapelei einen Gefallen getan hat? Sicher, seine Argumente sind ja durchaus richtig. „Es stehen vier Spieler in der Mannschaft, die noch bei den A-Junioren spielen könnten, dazu kommen drei, die gerade aus der A-Jugend herausgekommen sind. Diese brauchen mindestens noch ein paar Monate, um sich an den Herren-Fußball zu gewöhnen.” Alles richtig. Doch was ist mit den drei gestandenen Profis, die Scholl für viel Geld holen durfte? „Wen habe ich verpflichtet? Totti, Lahm, Khedira oder Ramos? Ich habe drei Spieler verpflichtet, die den Jungs Halt geben. Nicht mehr und nicht weniger”, sagte Scholl. Na gut, Totti, Lahm und Khedira waren es nicht, aber immerhin Altin Lala, der 296 Bundesliga-Spiele für Hannover gemacht hat, Stefan Buck, letzte Saison feste Größe bei 1860, und Bastian Schweinsteigers Bruder Tobias, der in Liga drei 65 Tore geschossen hat. Und die sollen den Jungstars nur Stabilität verleihen?
Bayerns neuer Sportvorstand Matthias Sammer, der in Heimstetten vor Ort war und sich fleißig Notizen machte, wird genau hingehört haben bei den Ausführungen seines Trainers der zweiten Mannschaft. Von 1973 bis 2011 hatten die Bayern-Amateure schließlich stets drittklassig gespielt, nun ist die Viertklassigkeit mit Spielen gegen Illertissen, Seligenporten und Ismaning die trostlose Heimat. Offiziell, weil Scholl seinen Auftrag darin sieht, „die Jungs zu begleiten, sie zu den Profis durchzureichen”. So lobte er in seinem Aufsehen erregend Interview bei „bfv.tv” etwa die Entwicklung von Stürmer Patrick Weihrauch, der schon bald ein Spieler für die erste Mannschaft sein könnte. Und vielleicht ist es tatsächlich nicht möglich, die Fehler der vergangenen Jahre im Nachwuchsbereich binnen einer Saison auszubügeln. Auf Sammer, Scholl und den beiden neuen Jugendleitern Jörg Butt und Michael Tarnat wartet im Nachwuchsbereich harte Arbeit. „Matthias muss den Nachwuchsbereich neu ordnen. Es muss alles verbessert werden”, sagte auch Präsident Uli Hoeneß schon.
Wie Hoeneß wohl das TV-Interview seines Vertrauten Scholl aufgenehmen wird? Klar ist, dass Scholl seinen Vertrag bei der ARD, den Hoeneß einst genehmigte, nicht verlängern darf, sollte er Trainer beim FC Bayern bleiben. Dies sagte Hoeneß nun zu „Bild”. Spätestens 2014 müsste sich Scholl also entscheiden zwischen seinem TV-Job und jenem bei Bayern. In den nächsten zwei Jahren gebe es dagegen „kein Problem”, so Hoeneß, „da ist kein wichtiges Länderspiel”. Aber jede Menge wichtiger Spiele der kleinen Bayern. Für Scholl.