Maulwurfplage beim FC Bayern: Kein neues Phänomen

Bayern-Trainer Julian Nagelsmann beklagt, das taktische Interna an Medien durchgesteckt werden. Das Ausplaudern von Kabinen-Geheimnissen ist allerdings alles andere als neu in München.
von  Patrick Strasser
Nimmt's bislang noch mit Galgenhumor: "Maulwürfe stehen, glaube ich, unter Artenschutz. Die Suche ist daher sehr kompliziert", sagt Nagelsmann über die Preisgabe von Interna an die Medien.
Nimmt's bislang noch mit Galgenhumor: "Maulwürfe stehen, glaube ich, unter Artenschutz. Die Suche ist daher sehr kompliziert", sagt Nagelsmann über die Preisgabe von Interna an die Medien. © picture alliance/dpa

München - Trainer Julian Nagelsmann hatte sich vorbereitet auf das Thema, das ihm so auf den Magen drückte und gewiss Bestandteil der Pressekonferenz sein würde am Freitagnachmittag. Ihm war klar, dass es in der Medienrunde nicht nur um eine norwegische Urgewalt namens Erling Haaland vom kommenden Champions-League-Gegner Manchester City gehen würde, sondern um einen Vertreter einer Säugetierart, der eher vom Buddeln lebt als von seiner Torgefahr.

Also begann der Bayern-Cheftrainer mit einem Scherz auf die Frage nach der neuesten internen Unruhe beim Abo-Meister: "Maulwürfe stehen, glaube ich, unter Artenschutz. Wenn man über das bayerische Land fährt, sieht man an jedem Feld 80.000 Maulwurfshügel und die darf man nicht beseitigen, weil der Maulwurf unter Artenschutz steht. Die Suche ist daher sehr kompliziert."

Interna aus der Bayern-Kabine an die Medien durchgesteckt

Die Suche nach dem menschlichen Maulwurf, der sich in der Kabine der Säbener Straße eingegraben hat und dafür sorgt, dass wieder einmal brisante Interna via Medien an die Öffentlichkeit gelangen und das Binnenklima vergiften - diesmal ging es um taktische Details von Nagelsmann, bei denen sogar Fotos der Flipcharts aus der Kabine in "Sport Bild" und "Bild" veröffentlicht wurden.

"Ich ärgere mich. Die Person, die etwas weitergibt, schadet jedem einzelnen Spieler, gefährdet den Erfolg - das ist nicht im Sinne der Sache", sagte er sichtlich angefasst und verärgert. Er habe jedoch keine Sorge, "dass man uns entschlüsseln kann, aber das macht es dem Gegner leichter".

Nagelsmann: Der Bayern-Maulwurf wird "nicht so gut in den Spiegel schauen" können

Außerdem könne diese Person "nicht so gut in den Spiegel schauen, weil es sich nicht gehört. Mir ist es wichtig, dass ich in den Spiegel schauen kann." Nagelsmann denke "viel darüber nach, weil ich mich frage: Was bezweckt die Person, die das weitergibt, was erhofft die sich? Die Motivlage erschließt sich mich mir nicht." Finanzielle Gründe könnten es nicht sein, meinte der 35-Jährige angesichts der üppigen Gehälter in diesen Sphären.

In der Vergangenheit hat es schon zig Bayern-Trainer erwischt, die unter der Maulwurfplage in Bayern litten. Niko Kovac, das letzte Opfer, bemühte damals das große Ganze in seiner Betrachtung: "In der Geschichte gab es genug Beispiele, ob es Troja war, ob es Cäsar war. Wir müssen zusammenhalten, vom Zeugwart bis zum Trainer." Das Gegenteil war oft der Fall.

Eine AZ-Chronik der Maulwurf-Attacken, die es den Trainern in jüngster Vergangenheit schwergemacht haben:

Pep Guardiola (Juli 2013 - Juni 2016):

Auch er litt unter der Veröffentlichung von taktischen Geheimnissen:Pep Guardiola wollte den Verräter sogar rausschmeißen.
Auch er litt unter der Veröffentlichung von taktischen Geheimnissen:Pep Guardiola wollte den Verräter sogar rausschmeißen. © GES/Markus Gilliar

In seiner ersten Saison in München ging es um die Veröffentlichung von taktischen Feinheiten - was den Spanier erzürnte. "Denjenigen schmeiße ich raus", soll Guardiola getobt haben, "er wird nie wieder unter mir spielen."

Die Fahndung verlief erfolglos. 2016 ein ähnlicher Fall. "Welcher Spieler ist der anonyme Spieler? Wo spielt dieser Anonymus?", fragte Pep in einer Medienrunde erbost. Vor seinem Abschied aus München stellte er entnervt klar: "Diese Person trifft nicht mich, sie trifft die Mannschaft und den Verein. Es ist ein Problem für den Verein." So ähnlich äußerte sich jetzt Nagelsmann.

Carlo Ancelotti (Juli 2016 - September 2017):

Die Mannschaft fühlte sich unterfordert - und steckte dies an die Medien durch: Der Anfang vom Ende von Carlo Ancelotti bei Bayern.
Die Mannschaft fühlte sich unterfordert - und steckte dies an die Medien durch: Der Anfang vom Ende von Carlo Ancelotti bei Bayern. © sampics

Die Mannschaft fühlte sich unterfordert, was die Trainingsintensität und die Inhalte betraf. Die Führungsspieler beschwerten sich bei den Bossen - alles nachzulesen. Außerdem soll der Italiener, so ein weiterer geleakter Vorwurf, die spanische Fraktion um Thiago & Co. im Bayern-Kader präferiert haben, was naturgemäß den anderen Spielern, die dadurch auf die Bank verdrängt wurden, missfiel. Er blieb noch kürzer im Amt als Nachfolger Kovac.

Niko Kovac (Juli 2018 - November 2019):

Plötzlich wurden die Aufstellungen schon vor dem Spiel publik: Niko Kovac reagiere wütend, konnte den Maulwurf aber nie fassen.
Plötzlich wurden die Aufstellungen schon vor dem Spiel publik: Niko Kovac reagiere wütend, konnte den Maulwurf aber nie fassen. © Christina Pahnke / sampics

Schon nach wenigen Monaten wurden unter dem gebürtigen Berliner Aufstellungen an die Medien durchgestochen, die Unzufriedenheit von Ersatzspielern ebenso. Selbst Kovacs interne Beschwerden über das laxe Aufwärmen seiner Ersatzspieler war öffentlich nachzulesen. Also bat er seine Spieler, keine Interna mehr an die Presse zu tragen - was dann prompt in den Medien stand.

Das ständige Maulwurf-Thema war einer der Gründe für sein Scheitern in München.

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