Matthäus: "Die Fans sollten in Budapest noch vorsichtiger sein"

München/Budapest - Lothar Matthäus im AZ-Interview: Der jetzt 59-Jährige ist Deutschlands Rekordnationalspieler und war lange Jahre Kapitän des FC Bayern. Der ehemalige Nationaltrainer Ungarns (2004/5) lebt seit 16 Jahren in Budapest und ist als Sky-Experte tätig.
AZ: Herr Matthäus, Sie haben seit über 16 Jahren ihren Hauptwohnsitz in Budapest, leben dort mit Ihrer Frau Anastasia und Ihrem sechsjährigen Sohnemann Milan. Nun findet dort der Uefa-Supercup zwischen dem FC Bayern und dem FC Sevilla statt. Und das, obwohl die Corona-Fallzahlen in Budapest stark angestiegen sind und die Stadt nach Einschätzung des Robert Koch-Institut ein Corona-Risikogebiet ist. Welche Einschränkungen erwarten die Fans, die trotzdem anreisen?
LOTHAR MATTHÄUS: So ähnliche wie nun auch die verschärften Maßnahmen in München. Zunächst hatte sich Ungarn gut geschlagen, was die Infektionen betrifft. Aber seit sechs bis acht Wochen sind die Zahlen steil in die Höhe gegangen. Die vermehrten Ansteckungen sollen vor allem durch Urlauber aus dem Balkan importiert worden sein, so heißt es. Ich denke, das begleitet uns alle nach den Sommerferien – ob in Budapest, Wien oder München.
Wie sehen die Maßnahmen in Ihrer Wahlheimat konkret aus?
Natürlich ist ein Mundschutz beim Einkaufen überall in den Läden Pflicht, in Restaurants und Cafés gilt das Gebot, Abstand zu halten. Außerdem hat die Regierung verfügt, dass Vergnügungslokale um 23 Uhr schließen müssen.
Darüber hinaus hat Ministerpräsident Viktor Orbán die behördlichen Preise von Corona-Tests auf 19.00 Forint gedeckelt, das sind rund 54 Euro. Und seit dem 1. September sind die Grenzen dicht, mit Ausnahme nun für die Fans, die anreisen und einen negativen Covid-19-Test vorweisen können.
Es ist wirklich eine sehr unglückliche Situation, denn vor zwei Monaten, als die Uefa diesen Supercup nach Budapest vergeben hat, waren dort die Fallzahlen im europäischen Vergleich sehr niedrig. Aber die Uefa möchte das Spiel durchziehen.
Matthäus gibt Sightseeing-Tipps für Budapest
Als Pilotprojekt zur Zuschauer-Rückkehr, bei dem die rund 67.000 Zuschauer fassende Puskás Arena zu 30 Prozent ausgelastet werden soll. Ein Eigentor?
Natürlich wird von ungarischer Seite beziehungsweise den dortigen Behörden alles dafür getan, damit nichts passiert. Dennoch sollten die Fans noch vorsichtiger sein als ohnehin schon, etwa vor Ort, wenn irgend möglich, nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.
Trotz allem: Freuen sich die Ungarn auf dieses umstrittene Highlight? Rein sportlich? Sie waren schließlich von 2004 bis 2005 ungarischer Nationalcoach.
Natürlich. Ungarn ist zwar nicht mehr die ganz große Fußballnation, die Höhepunkte hier sind ansonsten Qualifikationsspiele der Nationalelf gegen namhafte Gegner. Budapest ist eine tolle, sehenswerte Stadt, nun hat man ein tolles, neues Stadion.
Was sollten sich Fans, die den Kurztrip tatsächlich machen, unbedingt anschauen?
Die bekannten Sehenswürdigkeiten: Den Burgpalast, das größte Gebäude Ungarns. Oder die Fischerbastei am Burgberg, von der aus man einen super Blick auf die Stadt hat. Außerdem lohnt ein Spaziergang über die Margareteninsel. Viel laufen an frischer Luft an der Donau entlang – immer mit Abstand. Das Wetter soll ja zum Glück auch passen.

Matthäus: Der FC Bayern ist "klarer Favorit"
Zum Sport: Sind die Bayern als Champions-League-Sieger gegen Sevilla Favorit?
Ja, klarer Favorit – und auf jeden Fall im Vorteil. Mit dem 8:0 gegen Schalke haben sie nach dem Urlaub schon ein Pflichtspiel gehabt, die Spanier nicht. Die Bayern werden mit voller Kapelle und Motivation auflaufen. Dennoch ist Sevilla ein unbequemer, schwer zu bespielender Gegner, ähnlich wie Atlético Madrid.
Letzte Frage zu David Alaba: Nervt denn die Fans die Hängepartie um die Vertragsverlängerung des Abwehr-Chefs nicht zu sehr?
Ich würde ihm raten: Unterschreib' bei Bayern – denn wer weiß, was nächstes Jahr ist. Die Corona-Krise ist noch nicht vorbei und hat auch Auswirkungen auf das Fußball-Business. Rein sportlich gesehen wird er sicherlich aktuell keine bessere Mannschaft finden. In München ist David der Abwehr-Chef, hat das Standing und bekommt die Wertschätzung, die er sich woanders erst erarbeiten müsste.