Matthäus: Nur Barcelona und Paris auf Augenhöhe mit Bayern

Lothar Matthäus spricht im AZ-Interview über das Rückspiel gegen Juventus Turin, Bayerns Aufsteiger Joshua Kimmich und die Zukunft von Mario Götze.
von  Interview: M. Koch und P. Mayer
Lothar Matthäus vor dem wichtigen Spiel gegen Juventus Turin: "Ein zweites Mal gibt der FC Bayern
so einen Vorsprung nicht her."
Lothar Matthäus vor dem wichtigen Spiel gegen Juventus Turin: "Ein zweites Mal gibt der FC Bayern so einen Vorsprung nicht her." © dpa/AZ

München - Am Mittwoch müssen die Bayern in der Champions League gegen Juventus Turin ran (Spiel im AZ-Liveticker) – nach dem 2:2-Unentschieden im Hinspiel ist der Druck groß. Der ehemalige Bayern-Spieler Lothar Matthäus äußert sich im AZ-Interview zum wichtigen Spiel und einigen Personalien beim deutschen Rekordmeister.

AZ: Herr Matthäus, worauf kommt es für den FC Bayern im Achtelfinal-Rückspiel gegen Juventus Turin an?

LOTHAR MATTHÄUS: Dass die Bayern ihr Niveau abrufen. In Turin haben sie 70 Minuten die Leistung gezeigt, die man von ihnen erwartet. Wenn sich diese Leistung annähernd wiederholt, dürfte es kein Problem sein, weiterzukommen. Ein zweites Mal passiert es dem FC Bayern nicht, dass er einen sicher geglaubten Vorsprung so leichtfertig hergibt. Natürlich ist Juve eine Topmannschaft, aber trotzdem eine Stufe unter den Top-3 in Europa.

Was sind ihre Schwächen?

Die Geschwindigkeit im Spiel. In Italien ist der Fußball taktisch sehr ausgeprägt, vor allem die Defensive. Die Handlungsschnelligkeit und die Geschwindigkeit der Spieler lassen aber zu wünschen übrig. Ballannahme, Ballmitnahme, direkte Zuspiele. In Italien ist der Fußball langsamer. Und auch die Turiner kommen dann mit einem Hochgeschwindigkeitsfußball, wie ihn die Münchner spielen, nicht klar.

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Individuell ist Juve dennoch sehr gut besetzt.

Juventus hat international erfahrene Spieler. Die Bayern denken aber in erste Linie an sich selbst. Das muss reichen.

Und dann führt der Weg direkt ins Finale nach Mailand?

Wenn sie im Viertelfinale stehen, wovon ich ausgehe, bleiben zwei Runden bis zum Endspiel. Auf Augenhöhe mit den Bayern sehe ich nur den FC Barcelona und Paris St. Germain.

Hat sich Thiago mit seinem tollen Auftritt gegen Werder aus seiner kleinen Krise und in die Startelf für Juve gespielt?

Das Spiel gegen Bremen war kein Gradmesser und wird keinen Einfluss darauf haben, wen Guardiola gegen Juve aufstellt. Es wird wohl wieder drei oder vier Veränderungen geben, Vidal kommt sicher zurück.

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Und wie sieht die Bayern-Zentrale dann am Mittwoch aus?

In Turin hat Alonso nicht gespielt, in Dortmund Thiago nicht. Das ist ja das Schöne für Guardiola, dass er von Spiel zu Spiel seine Taktik ändern kann. Aber nochmal: Werder war kein Gegner für die Bayern, deshalb sollte man die Leistung von Thiago oder auch Kingsley Coman nicht zu hoch hängen.

Sie sprechen Coman an, der vergangene Saison noch bei Juventus spielte und nun bei den Bayern überzeugt.

Comans Geschwindigkeit ist hoch. Über die Flügel haben die Bayern vier gleichwertige Spieler, wobei Coman derjenige ist, der vom Name her am wenigsten mitbringt, aber den anderen in keiner Weise hinterherhängt. Douglas Costa, Franck Ribéry, Arjen Robben und Coman sind vier Geschwindigkeitsspieler, über die man gegen Juventus Räume und Eins-gegen-eins-Situationen schaffen kann. Da sind die Bayern den Turiner Außenverteidigern überlegen. Und auch im Zentrum sind die Juve-Verteidiger ja nicht mehr die jüngsten.

Joshua Kimmich ist das Gegenbeispiel.

Man hat ihn nicht umsonst für diese Ablöse (neun Millionen Euro, d. Red.) geholt. Kimmich ist ein Jahrhunderttalent. Man muss aber vorsichtig sein. Er wird schon in die Nationalmannschaft geredet. Er soll zuerst seinen Platz bei Bayern finden.

Er kann in der Viererkette spielen, was ihm am Anfang keiner zugetraut hat. Er hat ein gutes Aufbauspiel, ist schnell. Wenn die Kopfballduelle kommen, ist er wegen seiner Körpergröße ein bisschen unterlegen. Das war bei mir ähnlich. Aber in diese Situationen kommt er bei Bayern nur selten. Ich glaube, dass er irgendwann die Nachfolge von Xabi Alonso antritt. Dieses Ballgefühl, dieses Auge, die Lösungen, die er findet, das ist enorm.

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Mario Götze war zuletzt lange außen vor. Warum?

Mario ist ein sensationeller Spieler. Aber bei Bayern ist die Konkurrenz groß, gerade was die Geschwindigkeit der Spieler betrifft. Da ist der FC Bayern auf den Außen einfach sehr stark besetzt. Mario ist ein anderer Spieler, kommt mehr aus der Zentrale. Aber auch hier hat man mit Thiago, Thomas Müller und Arturo Vidal tolle Spieler.

Deswegen ist es für ihn schwierig, sich als Stammspieler zu fühlen. Das hat er ja in den letzten zwei Jahren auch nicht. Er war immer zwischen Bank und Spiel. Natürlich soll er das Gespräch suchen. Er muss hoffen, dass Carlo Ancelotti auf ihn baut.

Ansonsten gibt es nur eine Alternative – oder nicht?

Die Frage ist, warum man mit ihm noch nicht verlängert hat – wie mit anderen Spielern, die längerfristige Verträge gehabt hatten. Bei Götze läuft der Vertrag nächstes Jahr aus. Das ist ein Zeichen des Vereins an Götze, dass man bei ihm nicht weiß, wohin der Weg geht. Die Bayern wollen sicher noch eine Ablöse haben. Vom Gefühl her ist es für die Bayern nicht überzeugend und für Götze nicht zufriedenstellend. Deswegen kann es dazu kommen, dass das die letzte Saison ist, die Mario für den FC Bayern spielt.


Über Lothar Matthäus

 

Der 54-Jährige war langjähriger Kapitän des FC Bayern, wurde 1990 Weltmeister und ist mit 150 Partien amtierender deutscher Rekordnationalspieler. Von 1988 bis 1992 spielte er für Inter Mailand. Mittlerweile arbeitet er als Experte für Sky-

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