Matthäus: »Jetzt holt Ottmar alles«
Trotz Toni und Ribéry: Diese Saison ist das Werk Hitzfelds – sagt Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus im AZ-Interview
AZ: Herr Matthäus, Sie machen momentan in Oberhaching den Trainerschein. Am Samstag beim Spiel der Bayern in der Allianz Arena gegen Leverkusen haben Sie Praxis-Unterricht genommen – beim künftigen Meistertrainer Ottmar Hitzfeld?
LOTHAR MATTHÄUS: Klares ja! Sieben Punkte Vorsprung auf den HSV sowie jeweils neun auf die anderen Verfolger ist einfach eine Menge Holz. Da kommt keiner mehr ran. Die Bayern könnten ja noch zwei oder drei Mal verlieren – und dennoch passiert ihnen nichts. Die Konkurrenz ist ja auch nicht so stabil, dass sie alle Spiele gewinnen. Bayern ist durch.
Dank Luca Tonis 16 Saisontreffern. Dank der Magie des Franck Ribéry.
Stopp! Nicht nur. Für mich ist diese souveräne Saison das Werk von Ottmar Hitzfeld. Ich gönne ihm die Meisterschaft zu seinem Abschied ganz besonders.
Inwiefern?
Ich habe vier Jahre unter ihm als Profi gespielt und eine tolle Zeit gehabt. Die Ungereimtheiten im vergangenen Herbst von außerhalb und im Verein – da muss ich jetzt keine Namen nennen – haben ihn nicht von seinem Kurs abbringen lassen. Ihn bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Er hat seine Rotation weiter durchgezogen und im richtigen Moment gestoppt. Nämlich nach dem 0:2 in Cottbus. Das hat ihn stark mitgenommen, danach war er ziemlich angeschlagen. Nun läuft es wieder. Hut ab!
Welche ist Hitzfelds herausragendste Leistung?
Ottmar ist seiner Linie treu geblieben und hat es geschafft, alle Stars trotz ihrer Launen und trotz der Sprachbarrieren unter einen Hut zu bringen. Das ist heutzutage die große Kunst im internationalen Fußball. Das kann keiner so gut wie Ottmar.
Und nun steht Hitzfeld vor einer historischen Chance: Noch nie hat es ein Bayern-Trainer geschafft, neben dem Double noch einen europäischen Pokal in einer Saison zu gewinnen.
Ich denke, Ottmar holt jetzt alles. Im Pokalfinale gegen Dortmund ist Bayern ganz sicher Favorit und gewinnt, wenn sie ihre normale Leistung bringen. Im Uefa-Cup ist der Titel noch am schwersten zu erreichen: Ich glaube, dass viele Getafe unterschätzen. Das ist eine hervorragende Mannschaft, da darf man sich nicht blenden lassen, dass lauter No-Names im Kader sind. Wenn Bayern da durchkommt – und da bin ich mir sicher – geht es gegen Leverkusen oder St. Petersburg. Beides machbar. Bleibt wohl der AC Florenz im Finale. Da wird Luca Toni sicher treffen gegen seinen Ex-Verein. Ottmar wird einen großen Abgang bekommen.
Was bedeutet, dass die Nationalspieler mit drei Titeln zur EM in Österreich und der Schweiz reisen. Morgen testet die Löw-Truppe in Basel. Nur ein Test?
Nein, da geht es um mehr. Es ist etwas Glanz verloren gegangen in den letzten Länderspielen seitdem die Qualifikation im Oktober perfekt gemacht wurde. Es folgten viele enttäuschende Spiele. Es wird Zeit, dass die Mannschaft ein Zeichen setzt. In Spielen wie nun gegen die Schweiz geht es darum, sich die nötige Sicherheit fürs Turnier zu holen. Sonst kann es im Juni brenzlig werden.
Interview: Patrick Strasser