Martínez: Der Effe der Neuzeit
München - Javi Martínez hat es geschafft. Er wurde vermisst. Es fiel auf, dass er einmal nicht da war. Wie in jedem Beruf ist das im Grunde die größte Wertschätzung, die man von Kollegen – und im Falle eines Profi-Fußballers – von Fans und Medien erfahren kann.
Schön und gut, teils sehr gut, so bewertete man die Auftritte des 40-Millionen-Euro-Neuzugangs, den der FC Bayern im August 2012 verpflichtet hatte. Während der Zeit seiner Akklimatisierung trug der 24-Jährige die Bürde der höchsten Ablösesumme aller Zeiten mit sich herum. Seine Formkurve entwickelte sich linear zu seiner Fitness: stetig nach oben. Und als Bayern-Trainer Jupp Heynckes den defensiven Mittelfeldspieler vergangenen Samstag beim 3:2 gegen Düsseldorf draußen ließ, ihn verschnaufen ließ – fehlte dem Team die Balance im Zentrum vor der Abwehr, die Stabilität. Die Bayern litten unter Gleichgewichtsstörungen. Kurz: Er ging ab.
Schon kassierte man zwei Gegentreffer wie zuvor nur in zwei weiteren Partien der gesamten Saison. Damit war der wahre Wert des Basken zementiert. Er, der seine Stellenbeschreibung in der „SZ” so formulierte: „Meine Arbeit ist, für das Gleichgewicht zu sorgen. Ich soll Angriff und Verteidigung ins rechte Verhältnis bringen.” Weil das Spiel über die Außen mit Ribéry und Müller sowie Kroos in der Mitte hinter einem der Stürmer Mandzukic und Gomez sehr offensiv ausgerichtet ist, schuftet Martínez dahinter als Aufpasser. Er sagt: „Ich bin da, um den anderen zu helfen.”
Anfangs war es umgekehrt. Bastian Schweinsteiger, Vize-Kapitän und Nebenmann, erklärte ihm den Verein, die Mitspieler, den Trainer, das System. Mittlerweile, da Martínez nach eigenen Angaben rund 60, 70 Prozent des Fußball-Deutsch versteht, kommuniziert er mit Schweinsteiger „manchmal deutsch, manchmal bairisch. Meistens englisch.” Sein Spitzname ist urbairisch: Xaver. Und nach nur acht Monaten hilft er den anderen.
Im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals gegen den FC Arsenal (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht angepfiffen, d.Red.) fehlt Schweinsteiger wegen einer Sperre, Martínez soll die defensive Balance mit Luiz Gustavo organisieren. Mit feinem Aufbauspiel, einem überragenden Zweikampfverhalten samt Dieter-Hoeneß-Kopfballspiel am Mittelkreis. Egal, wen er an seiner Seite hat, der Spanier kann – wenn nötig – auch mal rustikal dazwischenhauen. Als er beim 1:0 im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund vor zwei Wochen BVB-Stürmer Robert Lewandowski umgrätschte, raunten die Fans, in vielen Gesprächen fiel der Name Stefan Effenberg. Das Foul an Lewandowski sei „bestimmt keine Absicht” gewesen, beteuerte Martínez und erklärte: „Grundsätzlich betrachte ich mich nicht als aggressiv, aber als kämpferisch.” Die Ähnlichkeiten zu Effenberg, der die Bayern als Kapitän zum Champions-League-Sieg 2001 führte, erklärt Martínez in der „SZ”: „Effenberg war einer, der wahnsinnig viele Kilometer gemacht hat. Xavi und Iniesta sind definitiv nicht so. Busquets schon eher. Kann schon sein, dass ich von den derzeitigen Nationalspielern derjenige bin, der Effenberg am meisten ähnelt. Ich bin der deutscheste Spanier.” Und für die Bayern der baskische Effe.
Dass er sich trotz höher dotierten Angeboten von Real Madrid und dem FC Barcelona für Bayern entschieden hat, bereut er nicht: „Für mich ist das der beste Klub, den es gibt.” Passt doch.