Macht Schweini zum Cheffe!

Ex-Kapitän Stefan Effenberg glaubt, dass der Nationalspieler beim FC Bayern auf der falschen Position spielt. Zudem empfiehlt er Trainer Klinsmann, mehr Wert auf die Defensive zu legen.
AZ: Herr Effenberg, Ihr Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld war wenig charmant gegenüber dem neuen Bayern-Coach Jürgen Klinsmann, er meinte mit Blick auf das Auswärtsspiel am Samstag in Dortmund: „Wenn man auch dort nur einen Punkt holt, hat man am Ende vielleicht vier Zähler zu wenig auf dem Konto."
STEFAN EFFENBERG: Das ist aber auch so. Sie haben ja jetzt schon zwei zu wenig. Ein 2:2 nach 2:0-Führung gegen den HSV - das konnte ich ja kaum glauben. Früher war das so: Wenn du als Auswärtsmannschaft beim FC Bayern 0:2 zurückgelegen bist, bist du nicht mehr zurück ins Spiel gekommen. Die Bayern haben dann den Ball und damit den Gegner laufen lassen - später irgendwann das 3:0 erzielt.
Und heute? Was war das Problem im Saisoneröffnungsspiel gegen den HSV?
Diese Mannschaft ist noch nicht stabil genug, sie stehen nicht gut. Sie lassen zu viele Chancen zu.
Eben deshalb betont Klinsmann immer wieder, er brauche noch Zeit. Das Spiel und das Ergebnis gaben ihm Recht, oder?
Schon. Die Frage ist nur: Wie viel Zeit bekommt er? Die Ausgangslage war doch diese: Klinsmann hat von Ottmar Hitzfeld eine völlig intakte Mannschaft übernommen, die das Double gewonnen hat. Und nun ist Klinsmann gefordert. Er muss Titel holen. Bei Bayern freut sich keiner, wenn du Zweiter wirst, das ist ein Misserfolg. Nun spielt Klinsmann auf Zeit, aber das geht auch nicht lange gut. Es haben auch andere Mannschaften das Problem, dass ihre Spieler später von der EM zurückgekommen sind. Das kann mal eine schlechte Leistung entschuldigen, darf aber auf Dauer nicht zählen.
Klinsmann war Stürmer, er will stürmen lassen. Er will schnellen, offensiven Fußball bieten.
Moment, stopp. Das darf aber nie auf Kosten der Defensive geschehen.
Schon passiert. Drei Gegentore im Pokal in Erfurt, zwei gegen den HSV. Letzte Saison brachen die Bayern den Gegentor-Rekord in der Liga.
Die Bayern haben in der gesamten Vorbereitung nicht einmal hinten solide gespielt. Natürlich fehlt Demichelis, er war der beste Verteidiger der letzten Saison. Aber den Anspruch sollten auch ein van Buyten und ein Lucio haben. Sie gehen aber zu oft mit nach vorne. Sie sollten sich auf ihre Aufgabe konzentrieren: die Abwehr. Es war doch schon immer so: Wenn die Abwehr stabil steht, strahlt das auf das ganze Team Sicherheit aus.
Sollte Klinsmann umdenken?
Er hat doch gesagt, er möchte jeden Spieler jeden Tag besser machen. Ich sehe aber einen Spieler, der auf der jetzigen Position verschenkt ist: Es ist Bastian Schweinsteiger. Er kann auf der Außenbahn nicht den Einfluss auf das Spiel nehmen. Ich würde ihn im Zentrum, neben Mark van Bommel, spielen lassen. Er sollte aber dann den offensiveren Part der beiden spielen.
Dann wäre Schweinsteiger quasi der neue „Cheffe“. Doch Klinsmann setzt auf Toni Kroos als Spielmacher.
Das ist schön und gut. Und vor allem mutig, einem 18-Jährigen diese Rolle anzuvertrauen. Aber ich selbst weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist: Im Zentrum ist die Luft extrem dünn. Da hast du immer einen Gegenspieler an den Hacken, da spielen in jeder Mannschaft die ganz harten Jungs - wie zum Beispiel im HSV-Spiel de Jong oder Jarolim.
Was schlagen Sie also vor?
Ich denke für Toni Kroos' Entwicklung ist es besser, auf der Halb- oder Außenposition zu spielen. Der Junge ist ein Rohdiamant, aber erst 18. Er muss noch lernen. Und in diesem Alter im Zentrum beim FC Bayern zu spielen - ich weiß nicht, ob man ihm damit einen Gefallen tut? Kroos kann doch in zwei, drei Jahren wieder zurück ins Zentrum.
Ein weiterer Mannschaftsteil, der Sturm, ist schwach besetzt. Wenn Luca Toni fehlt, gibt es keine Alternativen.
Das ist vollkommen richtig. Natürlich kann man auch mit einer Spitze spielen, aber drei Stürmer im Kader sind definitiv zu wenig.
Uli Hoeneß argumentiert, wenn alle fit sind, brauche es keinen vierten Stürmer. Ansonsten gäbe es immer wieder Ärger. Da hat er wohl nicht Unrecht.
Klar. Wenn die Rotation funktioniert, gibt es keinen Ärger. Bei Ottmar war Ruhe. Aber was ist denn, wenn sich einer wirklich schwer verletzt und längerfristig ausfällt? In der Liga kannst du dich dann vielleicht noch durchmogeln, aber nicht in der Champions League. Wenn da ein Toni fehlt, dann können sie froh sein, wenn sie dort nicht früh ausscheiden. Auch in der Liga wird es nicht nochmal so ein Spaziergang wie letztes Jahr.
Sondern?
Schalke, Bremen, auch der VfB, alle haben gesagt, sie wollen oben angreifen. Sie sind heiß auf die Bayern, heiß auf Klinsmann.
Interview: Patrick Strasser