Luca Toni: Aus Adonis wird Achilles
MÜNCHEN - Beau, Hoffnungsträger, Teilzeitkraft, Tribünengast: Bayern-Stürmer Luca Toni und die Ferse: das ist inzwischen eine lange Geschichte. Ihr Ausgang ist unklar. Und das Ganze wenige Tage vor Auslosung des Champions-League-Viertelfinales.
Das Problem heißt Tendo calcaneus und besteht aus dem zweiköpfigen Musculus gastrocnemius sowie dem Musculus soleus: die Achillessehne, dickste und stärkste Sehne des Menschen. Sie ermöglicht sowohl Plantarflexion (Beugung des Fußes in Richtung Fußsohle) als auch Inversion (Auswärtskantung des Fußes). Elementare Dinge, zumal für einen Fußballer. Erst recht für einen, der beim FC Bayern spielt und das Prädikat „unersetzbar“ trägt.
Dessen Tendo calcaneus ausgerechnet in der wichtigsten Phase der Saison streikt. In der nun auch noch der Sturmpartner malade ist. Und in der zwei Länderspiele für die Heimat anstehen.
Galt der smarte Italiener Luca Toni (31) bisher bei Bayern eher als Adonis, gerät er nun zum Achilles. So ganz und gar unverletzlich hat er ohnehin nie gewirkt. 24 der 36 Bayern- Spiele hat Luca Toni absolviert, elf Mal wurde er ausgewechselt. Dazu noch fünf Länderspiele. Letzte Bundesligapartie: 14. Februar (1:2 in Berlin), letzte Tore: 25. Februar (zwei Stück beim 5:0 in Lissabon). Seitdem war Toni vor allem: Tribünengast. Und: Gegenstand von Diskussionen.
Hoffnungsträger und Teilzeitkraft
Seine für Dienstag geplante Rückkehr ins Training wurde auf heute vertagt. Nach dem Ausfall von Miroslav Klose (sechs Wochen Verletzungspause) und Toni steht Bayern derzeit genau ein Stürmer zur Verfügung: Lukas Podolski. Es ist noch nicht lange her, da war Podolski Stürmer Nummer vier: hinter Toni, Klose und Leihgabe Landon Donovan, der inzwischen zu L.A. Galaxy zurückgekehrt ist. „Sicherlich würde es der Mannschaft gut tun“, sagte Trainer Jürgen Klinsmann über Donovan im DSF, „wenn wir ihn jetzt noch dabei hätten.“
Wenige Tage vor der Auslosung des Champions-League-Viertelfinales am Freitag ist die Personaldecke im Bayern-Sturm übersichtlich bis bedenklich. Bixente Lizarazu, mit den Bayern Champions-League- Sieger 2001, sagt: „Das ist ein großes Problem.“ Der Franzose ist Experte beim Sender „Canal plus“, der die Champions League überträgt. Er sagt: „Wenn du gegen Barcelona, Manchester, Liverpool oder Chelsea spielst, brauchst du deine beste Mannschaft. Gegen Arsenal, Porto oder Villareal ist es gerade noch okay. Aber gegen die großen Vier? Das ist ein ganz anderes Level.“
Natürlich sei es Pech, dass zwei Stürmer zugleich ausfallen, doch Versäumnisse in Bayerns Einkaufspolitik sieht Lizarazu nicht: „Es war immer die Politik des FC Bayern, sich Zeit zu lassen mit der Verpflichtung von Spielern. Und Stürmer von der Qualität eines Toni oder eines Klose sind nicht einfach zu finden, besonders im Winter. Der Markt ist schwierig zur Zeit.“
Lizarazu: "Länderspiele sollten nicht Priorität haben"
Also hoffen die Bayern lieber auf Tonis Genesung. Wenn der nicht schon am Samstag gegen Karlsruhe auflaufe, sagte Manager Uli Hoeneß, „dann eben im nächsten Spiel“. Klingt hoffnungsfroh, birgt aber Probleme. Lizarazu weiß: „Wenn du nach einer Verletzung zurückkommst, musst du das langsam tun. Du bist fragiler, brauchst mehr Zeit zur Regeneration.“ Eine Woche nach der KSC-Partie spielt Italien in Montenegro, vier Tage später gegen Irland; Toni, der als Exilant in seiner Heimat nicht mehr so präsent ist, wäre gern dabei. Lizarazu: „Die Länderspiele sollten für ihn in dieser Situation nicht erste Priorität haben.“ Beim Bayern wird man das ähnlich sehen.
Es ist vertrackt für Toni. Selbst wenn er das Problem mit seiner Tendo calcaneus losgeworden ist, heißt das wenig. Nach fast 20 Profi- Jahren weiß Lizarazu: „Die Verletzung kann wiederkommen.“
Thomas Becker