Louis van Gaal darf noch bleiben - warum?

Louis van Gaal ist in der Meisterschaft gescheitert,
München - Es hätte ein wunderbarer Abend für Louis van Gaal werden können. Ein Abend der Genugtuung. Seine Mannschaft spielte Zauberfußball, wirbelte den amtierenden Champions-League-Sieger durcheinander wie eine Schülermannschaft, schoss wunderhübsche Tore, kombinierte noch wunderhübscher, versetzte 69000 Zuschauer in Raserei – allerdings nur eine Halbzeit lang. Am Ende war der wunderbare Abend verdorben und Louis van Gaal der Verlierer.
Mal wieder. Vier Niederlagen in den vergangenen fünf Spielen – eine Bilanz des Schreckens, die eine entscheidende Frage aufwirft: Wie oft darf dieser Trainer auf Abruf denn noch verlieren?
Das epochale 2:3 des FC Bayern gegen Inter Mailand steht exemplarisch für den Fußball der Münchner van-Gaal-Ära: zuweilen höchst spektakulär in der Vorwärtsbewegung und zumeist vogelwild, was Ordnung und Spielkontrolle in der Defensive angeht. Ein in dieser Saison sich wiederholendes Muster, das der Holländer zwar erkannt hat, das er aber nicht zu bekämpfen weiß. Originalton van Gaal nach der Mailand-Partie: „Wir haben das wieder selbst verursacht, und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Wir haben nichts von unseren Fehlern gelernt. Das ist schade. Wir sind an uns selbst gescheitert. Das ist viel schmerzvoller.“
Nach der demoralisierenden Heimniederlage steht van Gaal vor der Auswärtspartie am kommenden Samstag beim sicherlich fröhlich und unbeschwert aufspielenden SC Freiburg vor einer schwierigen Aufgabe – und womöglich doch noch vor dem vorzeitigen Aus. Auf die Frage, wie er die Mannschaft nun wieder aufbauen könne, sagte der selbst ernannte Prozess-Trainer nach der Schlappe gegen Inter Mailand: „Ich weiß es auch noch nicht. Wir werden alles versuchen, um die Spieler aus dem Loch zu holen.“
Misslingt dieser Charakter-Test im Breisgau, ist Platz 3 akut gefährdet. Gut möglich, dass der Bayern-Vorstand dann die Notbremse zieht und mit einem anderen Coach die für Ego und Kasse des Klubs unerlässliche Champions-League-Qualifikation anstrebt.
Denn van Gaal hat schon fast alles verspielt: die Meisterschaft. Den DFB-Pokal. Jetzt die Champions League. Und bald auch das Minimalziel, Platz 3? Das soll, das muss verhindert werden. Mit allen Mitteln? Mit dem letzten Mittel? Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge sicherte zwar zu, dass van Gaal vorerst Bayern-Trainer bleiben darf („Wir haben das so besprochen, und deshalb werden wir auch bis zum Saisonende weiter zusammenarbeiten, um unser Ziel noch zu erreichen“), weiß aber auch: „Natürlich wird das Spiel Spuren hinterlassen.“
Präsident Uli Hoeneß schleppte nach dem 2:3 seinen Kummer wortlos durch die Interviewzone. Im Schweizer „Blick“ hatte der Bayern-Präsident zuletzt seinem einstigen Lieblings-Coach Ottmar Hitzfeld gehuldigt - und damit indirekt seinen aktuellen Übungsleiter abgewatscht: „Er (Hitzfeld) hat im Verlauf der Jahre nie Feinde gehabt. Ottmar ist ein Mann, der die Spieler versteht und den sie verstehen. Es ist kein Zufall, dass Ribéry oder auch Luca Toni unter ihm die besten Leistungen ihrer Karriere gezeigt haben. Das war Wahnsinn, was die da geleistet haben.“ Will sagen: Unter van Gaal bringen sie das nicht. Der eigenwillige Holländer wird seine zweite Saison beim FC Bayern ohne Titelgewinn beenden. Fragt sich nur noch: Wann genau?