Louis in der Kalle-Falle
Machtwort: Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bläut vor dem Abflug nach Rom Bayern-Trainer Louis van Gaal ein, dass Bastian Schweinsteiger nicht vor 2012 verkauft wird: „Ich habe das letzte Wort.“
MÜNCHEN Alfons Schuhbeck war spät dran. Die Spieler waren längst durch die Sicherheitskontrolle, als der Koch sich vor dem Lufthansa-Schalter aufbaute und gerade noch rechtzeitig für den Flug nach Rom eincheckte. Schuhbeck gehört traditionell zur Delegation der Bayern bei Champions-League-Reisen, er organisiert und überwacht, wie auch zu Hause an der Säbener Straße, dass Spieler, Bosse und Gäste gut verköstigt werden.
Man sollte hoffen, dass der Sternekoch für das Bankett nach dem vorletzten Gruppenspiel in Rom (20.45 Uhr, Sky live) den richtigen Rioja ausgesucht hat. Die Bayern haben nämlich wieder einiges zu klären – und könnten die Champions-League-Reise nutzen, um atmosphärische Störungen auszuräumen. Schon nach dem 4:2 in Cluj nutzten die Bosse den Mitternachtsschmaus, beseelt vom ein oder anderen Glas Wein und einigen aufmunternden Sprüchen von Franz Beckenbauer, um den vorläufigen Burgfrieden zwischen den Genussmenschen Uli Hoeneß und Coach Louis van Gaal zu besiegeln. „Es ist schwierig, mit ihm zu reden, weil er anderer Leute Meinung nicht akzeptiert“, hatte Präsident Hoeneß Ende Oktober festgestellt.
Dass der Trainer ganz grundsätzlich ein Querdenker ist, offenbarte der Holländer am Freitag wieder, als er in der Causa Schweinsteiger, völlig konträr zur Vorstandsmeinung, einen Verkauf seines Lieblingsspielers für den Sommer empfahl, sollte dieser bis dahin seinen 2012 auslaufenden Vertrag nicht verlängert haben. „Wir können nicht einfach 30 Millionen Euro ins Wasser kippen“, hatte van Gaal gesagt.
Was vom Coach womöglich auch als Retourkutsche für Hoeneß' Attacken gedacht war, scheint ihn nun auch die Gunst seines Fürsprechers im Vorstand gekostet zu haben. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge maßregelte gestern kurz vor dem Abflug van Gaal vor der versammelten Presse. „Er hat das gar nicht zu entscheiden“, stellte Rummenigge klar. Schweinsteiger sei ein sehr wichtiger Spieler, „vielleicht sogar der wichtigste für den FC Bayern im Moment“, so Rummenigge weiter, der dann kalt lächelnd unmissverständlich die schon vor Wochen geäußerte Vorstandsmeinung wiederholte: „Wir arbeiten daran, Schweinsteiger noch länger an uns zu binden. Wenn das nicht gelingt, bleibt er sicher bis zum 30.6.2012“, so Rummenigge. Ende der Ansage? Nicht ganz: Damit es auch der letzte, in diesem Fall also der Trainer versteht, ergänzte Rummenigge: „In diesem Fall nehme ich mir das Recht heraus, das letzte Wort zu haben.“ Und eben nicht der Trainer, der so gerne alles (alleine) bestimmt.
Vor drei Wochen hatte Rummenigge sich mit Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler verglichen. Tatsächlich hatte er damals zwischen van Gaal und Hoeneß vermittelt. Nun scheint van Gaal in die Kalle-Falle getappt zu sein. Der Vorstandsboss hatte lange sogar eine gewisse Sympathie für die Alleingänge des Trainers durchblicken lassen. Doch spätestens, als van Gaal Mitte Oktober bei der Präsentation seines Buches „Biographie und Vision“ auch Rummenigge riet, das Werk zu lesen, dürfte dem Vorstandsboss gedämmert haben, dass der stolze Mijnher die Gepflogenheiten bei Bayern nicht verstanden zu haben scheint. Gestern bläute er dem Coach, dem man eine Machtfülle eingeräumt hat wie keinem anderen zuvor, die Aufgabenteilung noch einmal ein.
Filippo Cataldo