Louis im Shopping-Dilemma: Van der Wiel oder Coentrao?

Bayern-Trainer van Gaal sucht einen Verteidiger. Um Philipp Lahm, der auf rechts spielen will, nicht zu verärgern, sollte es einer für links sein. Doch der Topkandidat aus Portugal ist (noch) zu teuer
MÜNCHEN Philipp Lahm hat seine Freundin Claudia geheiratet. Daran ist nicht mehr zur rütteln. Lahm war WM-Kapitän der Nationalelf in Südafrika, auch das wird so in den Geschichtsbüchern stehen. Ob er Nationalelf-Capitano bleiben darf, werden andere entscheiden. Er selbst hat sich klar positioniert. Wie in Sachen Lieblingsjob. Hunderte Male musste er die Frage beantworten, ob er lieber rechts oder links verteidigen wolle.
Letzte Saison legte Lahm sich fest: rechts. Van Gaal bestärkte ihn, sogar Bundestrainer Joachim Löw schwenkte um und versetzte ihn von links nach rechts. Und das soll nun plötzlich alles wieder anders sein? Nur, weil der internationale Transfermarkt kein Überangebot an passablen und finanzierbaren Linksverteidigern aufweist? Wunschkandidat war und ist der Portugiese Fábio Coentrao (22), ein Linksverteidiger, der bei der WM zu den stärksten seiner Mannschaft gehörte. Doch Benfica Lissabon stellt sich stur, will mindestens 30 Millionen Euro Ablöse, was den Bayern zu viel ist. Ein wochenlanger Poker, der noch nicht beendet ist.
Inzwischen meldeten die Bayern ihr Interesse an Gregory van der Wiel, ebenfalls 22, jedoch Rechtsverteidiger, eine Notlösung. Niemals machen die Bosse, in diesem Fall Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, Transfer-Absichten öffentlich, in diesem Fall schon. Wohl, weil man mit dem Werben um den Holländer von Ajax Amsterdam die Portugiesen ganz hübsch unter Druck setzen kann. Es war sogar von einem Tauschgeschäft plus Ablöse mit dem glücklosen Edson Braafheid die Rede. Am Freitag meldete die niederländische Tageszeitung „De Telegraaf“, die Vereine müssten sich nur noch auf die Transfersumme einigen, also kein neuer Stand.
Was spricht für Coentrao, was für van der Wiel – und wie würde der Neue jeweils den Kader beeinflussen?
COENTRAO KOMMT
Van Gaals Wunschlösung. Er hätte endlich einen Linken, Lahm dürfte auf seiner angestammten rechten Seite bleiben und weiterhin ein Paar mit Arjen Robben bilden, das europaweit für Aufsehen sorgte in der Champions League. Als Alternative für Coentrao kann sich Talent Diego Contento, ein Überraschungsaufsteiger der letzten Rückrunde, weiterbilden. „Ich habe aber auch noch Holger Badstuber“, sagte van Gaal. Und Teenager David Alaba, der im Frühjahr links aushalf, dessen Präferenz jedoch im defensiven Mittelfeld liegt. Van Gaal bevorzugt es, auf der linken Seite der Abwehrkette einen Linksfuß spielen zu lassen, ganz pragmatisch. Müsste Lahm wieder rüber, sei es nicht gut, dass man in Lahm, Schweinsteiger und Ribéry „drei rechts schießende Spieler“ habe. Für Braafheid würde die Verpflichtung von Coentrao bedeuten, er müsse sich trotz Vertrags bis 2013 einen neuen Verein suchen.
VAN DER WIEL KOMMT
Er wäre die Notlösung, eine Art Ausweichtransfer, wenn auch etwas günstiger. „Wenn sich kein Linksverteidiger findet“, sagte van Gaal lapidar, „dann müssen wir eben einen guten Rechtsverteidiger holen – so ist das.“ Lahm müsste nach links rochieren und hätte wie in den Jahren 2007 bis 2009 wieder das (zweifelhafte) Vergnügen mit Vordermann Franck Ribéry, Contento bliebe die Azubi-Rolle und Badstuber müsste fortan mit Demichelis und van Buyten um die zwei Posten der Innenverteidiger konkurrieren. Und Braafheid? Dürfte, müsste gehen.
Die Lahm-Frage: Es ist etwa so, als würde man, wenn es keinen guten Weißwein auf der Karte gibt, einen formidablen Rotwein nehmen und dafür extra die Speisenfolge ändern. Ein Puzzle? Oder gar ein Dilemma, in dem van Gaal steckt? Er will ja Lahm nicht verärgern.
Patrick Strasser