Lothar Matthäus im AZ-Interview über die Dominanz des FC Bayern München
München - Lothar Matthäus wurde sieben Mal Meister mit dem FC Bayern und ist Rekordnationalspieler. Heute arbeitet er als TV-Experte bei Sky. Im AZ-Interview spricht der 55-Jährige über die aktuelle Dominanz des FC Bayern.
AZ: Herr Matthäus, der FC Bayern ist mit einem Gesamtergebnis von 10:2 gegen Arsenal ins Viertelfinale der Champions League eingezogen. Hat man jetzt das ganze Potenzial der Bayern gesehen?
LOTHAR MATTHÄUS: Das Wie des Weiterkommens war imponierend. Arsenal macht gerade nicht die beste Phase durch, trotzdem sollten sich die Bayern nicht kleiner machen: Die beiden Siege waren eine Hausnummer, ein Ausrufezeichen an die Konkurrenz in Europa.
Was macht die Stärke der Bayern aktuell aus?
Die Mannschaft hat sich gefunden, sie funktioniert, harmoniert, ist selbstbewusst. Jeder Spieler weiß, was er zu tun hat. Die Stammelf von Carlo Ancelotti steht.
Was bedeutet das für Abwehrchef Jérôme Boateng, der wieder fit ist und sicher einen Platz in der ersten Elf beansprucht?
Sportlich gesehen, gibt es aktuell keinen Grund, das Duo Mats Hummels/Javi Martínez zu trennen. Martínez macht einen guten Job als Innenverteidiger, man kann ihn dort ohne Bedenken spielen lassen, obwohl er ja eigentlich als defensiver Mittelfeldspieler geholt wurde. Boateng hat seinen Wert für die Bayern natürlich über Jahre unterstrichen. Es ist eine schwere Entscheidung, aber auch schön für einen Trainer, wenn er drei Topspieler für zwei Positionen hat.
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Für Thomas Müller scheint in den großen Partien im Moment kein Platz zu sein im Bayern-Team.
Thomas Müller wird in dieser Saison weiter die Rolle spielen, die er zuletzt gespielt hat: Wenn sich keiner verletzt, sitzt er zunächst auf der Bank. Es gibt im Bayern-System drei Positionen für Müller: Rechtsaußen, da ist Arjen Robben gesetzt; als Neuner im Sturmzentrum, da spielt mit Robert Lewandowski der beste Mittelstürmer der Welt; und als hängende Spitze. Dafür müsste Ancelotti aber sein System ein bisschen ändern und Thiago zurückziehen. Es ist schwierig für Thomas.
Für einen weiteren Nationalspieler ist es ebenfalls schwierig: Joshua Kimmich. Verstehen Sie, dass Ancelotti eher auf Rafinha als Rechtsverteidiger setzt?
Man muss sagen, dass Rafinha seine Sache gut macht. Er hat diese Position gelernt und über Jahre gespielt. Außerdem setzt Ancelotti auf Erfahrung, das war schon beim AC Mailand so. Ich denke, da ist auch viel aus seiner eigenen Spielerkarriere hängengeblieben, als man bei Milan auf Spieler um die 30 gesetzt hat. Für Kimmich ist es schade, aber für Bayern Luxus. Ich sehe das positiv, wenn man so viel Auswahl an Topspielern hat.
Bayerns Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge haben sich zuletzt öffentlich für Kimmich als Nachfolger von Philipp Lahm stark gemacht. Erhöht das den Druck auf Ancelotti?
Man hat ja gegen Arsenal gesehen, dass sich Ancelotti davon nicht beeinflussen lässt. Er hat eine klare Hierarchie bei den Rechtsverteidigern: Lahm ist die Nummer eins, Rafinha die zwei und Kimmich die drei. Für mich ist Kimmich auch eher im zentralen Mittelfeld zuhause. Er hat ja auch gesagt, dass er dort spielen will.
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Als möglicher Ersatz für Xabi Alonso, der im Sommer aufhört?
Kimmich ist natürlich ein Kandidat als Alonso-Nachfolger, aber es gibt auch noch Javi Martínez, Arturo Vidal oder Sebastian Rudy, der im Sommer von Hoffenheim zu den Bayern stößt.
Das heißt, dass Bayern die Alonso-Nachfolge intern regelt?
Man hat auf jeden Fall interne Lösungen. Aber es gibt auch Kandidaten bei anderen Vereinen, die ich schon genannt habe (die Schalker Leon Goretzka und Nabil Bentaleb sowie Leipzigs Naby Keita, die Matthäus in seiner Kolumne in der Sport Bild erwähnt hat, Anm.d.Red.). Wenn es Möglichkeiten gibt, sich zu verbessern, wird Bayern das tun.