Löwen, Tiger – oder doch bloß Stubenkätzchen?
Der FC Bayern feiert das späte 1:0 beim Karlsruher SC als Erlösung. Nur Kapitän Mark van Bommel übt Kritik.
KARLSRUHE Es ist wirklich alles alles anders beim FC Bayern in dieser Saison. Der Trainer – Jürgen Klinsmann wähnt sich ergebnisunabhängig stets „auf einem guten Weg“. Der Tabellenplatz – trotz des mühsamen 1:0 in Karlsruhe liegt der Rekordmeister nach acht Spieltagen auf Rang elf. Die Spielweise – laut Präsident Franz Beckenbauer „nicht berauschend“. Und sogar die von Uli Hoeneß gewählten Worte lassen aufhorchen. „Die Mannschaft hat gekämpft wie die Löwen“, sagte der Manager nach dem Sieg im Wildpark und verbesserte sich sofort selbst, „oder wie die Tiger. Löwen dürfen wir ja nicht sagen.“
Löwen? Tiger? Wie Hoeneß auf den Vergleich mit den gefährlichen Raubkatzen kam, bleibt nach Ansicht des fahrigen Auftritts in Baden einigermaßen schleierhaft. Vielleicht weil die Großkatzen oftmals für lange Zeit entspannt auf der Wiese liegen, ehe sie ihr vor Angst starres Opfer erlegen? Nun ja. Der KSC jedenfalls fürchtete sich bestenfalls in den ersten zehn Minuten vor dem FC Bayern. Frech spielten die Badener auf, schon nach einer Viertelstunde hätten sie durch Sebastian Freis in Führung gehen können. Der Ball knallte an die Latte. Die kämpferischen Löwen präsentierten sich lange eher als zahme Stubenkätzchen.
Dass Hoeneß anschließend „ein Spiel auf ein Tor“ gesehen haben wollte? Dass der Manager „die Reaktion, die ich mir gewünscht habe“ ausgemacht haben wollte? Dass Klinsmann allen Ernstes meinte, dass „ein Neuanfang nicht notwendig“ sei? Ein lichter Moment genügte, um den fahrigen Auftritt zu einem Hoffnung spendenden Gala-Auftritt zu verwandeln: Eine präzise Flanke von Massimo Oddo, ein sehenswerter Treffer von Miroslav Klose, drei Punkte, fertig. Bastian Schweinsteiger jedoch gab zu: „Man hat in den Gesichtern gesehen, dass das erlösend war.“
„Mit diesem Sieg wird das Selbstvertrauen zurückkehren“, mutmaßte danach Hoeneß. Immerhin war es der erste Sieg nach zuvor nur einem Zähler in drei Bundesliga-Partien. Immerhin hält sich der Rückstand auf die Spitze in Grenzen. Immerhin, so Beckenbauer, „stimmt die Moral“.
Ob das genug ist für die anstehende Woche? Am Dienstag (20.45 Uhr) kommt der AC Florenz zum Champions-League-Duell, am Samstag (15.30 Uhr) treten Felix Magaths Wölfe bei den löwigen Tigern an. „Wir haben heute Fußball im Stil einer Spitzenmannschaft gespielt“, sagte Bayerns Ex-Coach nach Wolfsburgs 4:1 gegen Bielefeld und meinte im Hinblick auf das München-Gastspiel, „so können wir oben mitspielen.“
Vom Stil einer Spitzenmannschaft ist Bayern weit entfernt. Es hapert in Sachen Spielaufbau, Souveränität, Durchschlagskraft. Immerhin hat der Meister seit Samstag einen Kapitän, der auch spielen darf. Doch wie lange? In Karlsruhe sagte Mark van Bommel: „Das Spiel war nicht so gut, dass wir sagen können, wir sind wieder da.“ Wenn das mal Klinsmann hört.
Sebastian Bütow, Jochen Schlosser