Löw stutzt Lahm zurecht
Buchautor Philipp Lahm darf zwar DFB-Kapitän bleiben, wird aber vom Bundestrainer gerügt: „Ich finde es nicht glücklich, dass er über Trainer in der Öffentlichkeit urteilt.” Und der Bayern-Star kuscht
Düsseldorf - Joachim Löw hatte andere Lektüre dabei, als er im Juni im Luxus-Resort „Danai Beach” in Griechenland mit seiner Frau Daniela auf das Ehepaar Lahm traf. Ein Zufall, die identische Wahl des Urlaubsziels. Der Kapitän der Nationalelf konnte ihm auch noch kein Exemplar seines Buches „Der feine Unterschied” überreichen – es war noch nicht im Druck.
Dan Browns „Sakrileg” zählt zu Löws Lieblingslektüre, bei der WM 2010 in Südafrika hatte er ein Sachbuch von David Silver über Businesspläne mit im Gepäck, bis zu zehn, elf Schmöker schafft der Bundestrainer pro Jahr. „Der feine Unterschied” von Philipp Lahm gehört jetzt auch dazu – gezwungenermaßen. Dabei hätte Löw schon vorab Auszüge lesen sollen, aber „es hat aus irgendwelchen Gründen nicht geklappt”, sagte der 51-Jährige am Dienstag im Congress-Centrum Düsseldorf. Der Autor saß neben ihm. Eine persönliche Widmung wird sich Löw von Lahm nicht wünschen – er ist verärgert über seinen mitteilungsbedürftigen Kapitän.
„Ich finde es nicht glücklich, dass er als aktueller Spieler über Trainer in der Öffentlichkeit urteilt. Ich bin der Meinung, das steht niemandem zu”, sagte Löw bestimmt. Der Tonfall eines Lehrers, der seinem – ansonsten – Vorzeigeschüler klar und deutlich die Grenzen aufzeigt, sollte nicht zu überhören sein.
Schon am Montagabend nach dem Eintreffen der Nationalspieler vor der EM-Qualifikationsspiel am Freitag in Gelsenkirchen gegen Österreich (20.45 Uhr, ZDF live) hatte es ein Gespräch mit dem Trainerstab und Teammanager Oliver Bierhoff und Autor Lahm zu dessen Werk gegeben, am Dienstag vor der ersten Trainingseinheit mit der Mannschaft. Dinge, die dem Bundestrainer gar nicht schmecken. Er fühlt sich in seiner kurzen Vorbereitung gestört, die Konzentration leidet.
„Wir sind ununterbrochen damit konfrontiert worden”, sagte Löw und wurde im Tonfall lauter, als er genervt meinte: „Es stört mich, dass wir bei der Nationalelf ständig andere Themen diskutieren müssen.” Bei jeder Nachfrage aus dem Reporterkreis wurde Löw zunehmend gereizter und verwies auf die letzten Siege bei der WM gegen Argentinien, England und nun gegen Brasilien (3:2), gegen „die Großen”. Die schönste Nebensache der Welt? Lahm machte den großen Unterschied.
Und sich selbst klein. Als Löw sprach, saß Lahm links von ihm wie ein Jugendlicher, der zur Rechenschaft gezogen wird, weil er ein Fenster eingeschossen hat. Zurechtgestutzt. Lahm zeigte Reue. „Mit solch einem Wirbel hatte ich nicht gerechnet, die letzten Tage waren nicht angenehm”, sagte der 27-Jährige und gab seinem Vorgesetzten – artig, artig – in der Sache Recht. Lahm: „Der Trainer hat klargestellt, dass er es nicht gut findet, wenn ein aktueller Spieler so über Trainer urteilt. Wenn der Trainer das so will, dann werde ich mich daran halten. Das wird in Zukunft nicht mehr vorkommen.” Doch gedruckt ist gedruckt. Lahms Biografie steht nun in den Buchhandlungen zwischen Charlotte Roche („Schoßgebete”) und den Thrillern von Jussi Adler-Olsen.
Doch war nicht die Vorab-Veröffentlichung in „Bild” das Problem? Lahms Rechtfertigung: „Der Fehler war, dass ich Trainer sachlich kritisiert habe. Die Darstellung des Buches wäre sowieso in dieser Form erscheinen.” Der Bayern-Kapitän wirkte konzentriert, angespannt – obwohl er längst wusste: direkte Folgen hat sein Ego-Trip nicht. Löw bestätigte: „Es gab keine Diskussionen, ihn als Kapitän abzusetzen.” Lahm habe über die EM 2008 keine Interna ausgeplaudert – und nicht gegen den Ehrenkodex verstoßen. Lahm wurde gestutzt, nicht gestürzt. Löw hält zu ihm: „Wir hatten immer ein offenes Verhältnis. Ich kenne Philipp als ehrlich und authentisch. Ich halte die Äußerungen für falsch, aber das hat unser Vertrauensverhältnis nicht beeinflusst.”