FC-Bayern-Trainer gesperrt: Jetzt sind Tuchels Schattenmänner gefordert

München - Zum Start in die Champions-League-Woche unterhielt sich Bayerns Cheftrainer Thomas Tuchel (50) angeregt mit dem neuen Sportdirektor Christoph Freund (46).
Die beiden Macher der Münchner liefen am Montagvormittag gemeinsam vom Kabinentrakt zum Trainingsplatz herüber, der Austausch zwischen Tuchel und Freund dürfte vor dem Königsklassen-Auftakt gegen Manchester United am Mittwoch in der Allianz Arena (21 Uhr/DAZN live) noch intensiver ausfallen als sonst.
Frust gegen Manchester City: Thomas Tuchel sieht die Rot – und kritisiert den Schiedsrichter
Der Grund: Tuchel wird die Partie von der Tribüne aus verfolgen müssen, er hatte beim Viertelfinal-Aus in der Vorsaison gegen den späteren Sieger Manchester City von Schiedsrichter Clement Turpin (41) aus Frankreich die Gelb-Rote Karte gezeigt bekommen. Wegen Meckerns.
"Ich habe Gelb-Rot gekriegt für Reklamieren bei Ballwegschießen des Gegners", sagte Tuchel im April nach der Partie: "Zwei Dinge konnten das Niveau des Spiels nicht halten. Der Rasen, die Platzverhältnisse, haben dem Niveau nicht den nötigen Rahmen gegeben. Und leider der Schiedsrichter war Note sechs."

Harte Worte. Nun muss der Coach diese eine Begegnung aus einer ungewohnten Perspektive verfolgen, Tuchel muss die Kabine am Spieltag 15 Minuten vor der Partie verlassen und darf diese bis nach dem Spiel nicht mehr betreten. Heißt: Eine gute Vorbereitung mit Sportdirektor Freund, der auf der Bank sitzt, und seinen Assistenten ist wichtig. Zudem kann Tuchel über ein Handy oder Headset während des Spiels Anweisungen an die Trainerbank geben.
"Ich war am Sterben!" – Lässt sich Tuchel zu Mourinhos "Geniestreich" hinreißen?
Oder der Ex-Chelsea-Trainer macht es wie einer seiner Vorgänger: Im März 2005 besiegten José Mourinhos "Blues" den FC Barcelona im Champions-League-Achtelfinale 4:2 an der Stamford Bridge. Im Anschluss an die Partie bezichtigte der Portugiese, dass sich Barca-Trainer Frank Rijkaard und Schiedsrichter Anders Frisk bezüglich eines Platzverweises für Didier Drogba abgesprochen haben sollen. Mourinho habe gesehen, wie Rijkaard die Schiedsrichterkabine zur Pause betrat. Die UEFA belegte den Chelsea-Coach mit einer Zwei-Spiele-Sperre.

Damit verpasste Mourinho beide Partien gegen den FC Bayern und durfte an den Spieltagen, wie nun Tuchel, keinen Kontakt zu seinen Spielern aufnehmen. "As with most situations, Mourinho will surely find a way round that", mutmaßte der "Guardian" bereits – und das korrekt. Chelsea gewann das Heimspiel erneut 4:2. Die Kabine des Olympiastadions betrat der Portugiese noch Stunden vor dem Rückspiel.
Das Problem war, ihn an den Ordnern vorbei wieder herauszubekommen. Die Idee: "Stewart Bannister, der Zeugwart, hat mich in den Wäschekorb gesteckt. Er war an einer Ecke offen, sodass ich atmen konnte", erzählte Mourinho Jahre später bei "beIN Sports". "Aber als er ihn (den Wäschekorb, d. Red.) aus der Kabine gebracht hat, sind uns die Jungs von der UEFA gefolgt und waren verzweifelt, mich zu finden. Also hat er (Bannister, d. Red.) die Box zugemacht und ich konnte nicht atmen! Als er den Wäschekorb geöffnet hat, war ich am Sterben! Ich meine das ernst! Ich war klaustrophobisch, ich verspreche Ihnen, es ist wahr!"
Mourinho und seine "Blues" mussten zwar eine 2:3-Niederlage einstecken, zogen aber dennoch ins Halbfinale ein – dann wieder mit dem Cheftrainer an der Seitenlinie.
FC Bayern gegen Manchester United: Zsolt Löw und Anthony Barry ersetzen Thomas Tuchel
Beim FC Bayern stehen nun besonders Zsolt Löw (44) und Anthony Barry (37) im Fokus, die Tuchels Job an der Seitenlinie übernehmen. Arno Michels (56), der dritte Co-Trainer, wird wohl neben Tuchel auf der Tribüne sitzen. Löw hatte übrigens erst am Freitag beim 2:2 gegen Bayer Leverkusen in der Bundesliga nach dem Schlusspfiff die Rote Karte gesehen.

Das hat allerdings keine Auswirkungen für die Königsklasse. In der Bundesliga darf dann Tuchel am Samstag gegen den VfL Bochum wieder auf die Trainerbank – im Gegensatz zu Löw.
In der Champions League aber sind Tuchels Schattenmänner gefragt. Löw wird sich in erster Linie um taktische Inhalte während des Spiels kümmern und Anweisungen geben. Der Ungar arbeitete mit Tuchel schon bei Paris Saint-Germain und dem FC Chelsea zusammen, zuvor war Löw als Profi in der Bundesliga unter anderem für Cottbus und Mainz aktiv. In Mainz war übrigens Tuchel sein Trainer.
Co-Trainer Anthony Barry: "Zusammenarbeit im Trainerteam sehr familiär und eng"
Barry, den Bayern von Chelsea verpflichtet hat, ist ein ganz spannender Typ. Er gilt in England als eines der größten Trainertalente. Er hat ein Faible für Standardsituationen. "Seine Arbeit mit den Standardsituationen bei Chelsea war für mich auf einem komplett neuen Level", sagt Tuchel voller Anerkennung. Und auch Barry ist von der Zusammenarbeit mit Tuchel extrem angetan.
"Es mir nicht peinlich, zu sagen, dass ich ihn als Mensch wirklich liebe", erklärt Barry: "Er ist schnell ein Freund und Vorbild für mich geworden. Wir haben viele Parallelen – wie wir arbeiten und wie wir den Fußball sehen. Wir versuchen, uns gegenseitig zu pushen." Generell sei die Zusammenarbeit im Trainerteam "sehr familiär und eng", sagt Barry: "Das erlaubt uns, auf einem sehr hohen Level zu arbeiten, weil wir komplett ehrlich zueinander sein können." Ganz klar: Auch ohne Tuchel auf der Bank ist Bayern am Mittwoch gut aufgestellt.