Leverkusen und Stuttgart schicken FC Bayern in die Zwickmühle: Wieviel ist Tuchel bereit zu riskieren?

München — Am Ende war es das von allen Seiten erwartete Spiel. Der FC Bayern, die Mannschaft, die fast ganz oben steht, besiegte den 1. FSV Mainz 05, die Mannschaft, die fast ganz unten steht, souverän und routiniert 3:1.
"Geile Leistung": Tuchel lobt Pflichtsieg des FC Bayern in Mainz
Man könne diese "geile Leistung", diesen "guten Sieg" gar nicht hoch genug bewerten, jubelte Thomas Tuchel nach der Partie bei Sky und bezog sich damit vor allem auf die Personallage. Matthijs de Ligt spielte nach Schlag aufs Knie 90 Minuten durch, genauso wie der grippegenesene Joshua Kimmich, der von der Teetasse in die Startelf befördert wurde. Die deutschen Nationalspieler kamen gejetlagged aus der USA. Auch Kim Min-jae hat eine Südkoreareise hinter sich. Alphonso Davies war mit Kanada in Japan.

Unter diesen Umständen bei einer Mannschaft zu gewinnen, die nicht so schlecht ist, wie sie von der Tabelle gemacht wird, ist ein guter und wichtiger Schritt, so Tuchels Credo. Durch den Erfolg bleibt der FC Bayern auf einen Punkt am VfB Stuttgart und zwei an Bayer Leverkusen dran.
Allerdings ist das für alle Beteiligten beim Rekordmeister kein Dauerzustand. Mittel- und langfristig in dieser Saison will der Rekordmeister zurück auf die Eins.
"Mit sieben bis acht Toren killen": Tuchels Pragmatismus ist für den FC Bayern gewöhnungsbedürftig
Genau hier droht Tuchel allerdings eine Zwickmühle: Einerseits ist in jedem Interview ersichtlich, wie euphorisiert der Cheftrainer des FC Bayern nach souveränen, kontrollierten, teils unspektakulären Siegen am Mikrofon steht. Trotz einer Offensive aus Harry Kane, Leroy Sané, Jamal Musiala, Thomas Müller, Serge Gnabry, Mathys Tel oder Eric Maxim Choupo-Moting mag es der 50-Jährige pragmatisch — ganz im Gegenteil zu seinen beiden Vorgängern. Sowohl Julian Nagelsmann als auch Hansi Flick predigten über 90 Minuten höchst aggressives Pressing und kontrolliertes Chaos.
Mit Blick auf den eng getakteten Spielplan und die Personalsituation ist Tuchels Pragmatismus genau die richtige Vorgehensweise. Allerdings auch eine, an die sich Mannschaft, Fans und Verantwortliche zuerst gewöhnen mussten: "Aus meiner Sicht fehlt, dass wir einen Gegner wie Freiburg, der so am Boden liegt, mit sieben bis acht Toren killen. Da bin ich nicht zufrieden, wenn man eine totale Überlegenheit nur mit drei Toren beendet", bemängelte Uli Hoeneß vor der Länderspielpause bei RTL.
Tuchel unter Druck, weil Leverkusen und Stuttgart nicht nachlassen
Aber nicht nur für die Schönheitspreise allein sind Siege wie gegen den VfL Bochum (7:0) wichtig. Was sich der FC Bayern seitdem an Polster in der Tordifferenz erarbeitete, hat ihnen Bayer Leverkusen fast gänzlich wieder abgenommen. Sechs Tore lagen im Anschluss an die Partie zwischen beiden Teams. Nach Spieltag acht ist es nur noch eines.
Die Mannschaft von Xabi Alonso hat kapiert, dass Gewinnen allein nicht reicht, um den Rekordmeister ernsthaft herauszufordern. Ein 7:0 kann Bayer zwar nicht vorweisen. Dafür ein 5:1 über Darmstadt 98, ein 4:1 gegen Heidenheim sowie 3:0-Siege in Mönchengladbach, Mainz und gegen den 1. FC Köln.

Und dann gibt es noch immer den VfB Stuttgart, die Überraschungsmannschaft 2023/24. Samstagnachmittag gewannen die Schwaben 3:0 bei Union Berlin. Natürlich erneut mit Treffer von Serhou Guirassy. Der Guineer, der in der Bundesliga alle 46 Minuten trifft, musste nach einer halben Stunde verletzt ausgewechselt werden. Für ihn brachte Sebastian Hoeneß Deniz Undav, der pro Tor 47 Minuten braucht.
Was sollte Tuchel also tun? Noch mehr verletzte Schlüsselspieler kann er sich nicht leisten. De Ligt und Kimmich spielten in Mainz ohnehin länger als ursprünglich geplant. Andererseits machen weder Leverkusen noch Stuttgart den Eindruck, auch nur im Geringsten nachzulassen.
Nur Terzic bleibt pragmatisch: Wie sehr geht Tuchel ins Risiko?
Einzig Edin Terzic verschrieb sich, nach dem 1:0 gegen Werder Bremen, dem Pragmatismus: "Weniger sexy, mehr Erfolg", forderte der BVB-Coach. "Wir haben lange genug in den letzten zehn Jahren schönen und sexy Fußball gezeigt, der am Ende aber nicht dazu geführt hat, unsere maximalen Ziele zu erreichen." Auch in der aktuellen Saison hat der FC Bayern das Duell in der Tordifferenz, mit zehn Treffern Vorsprung (+19/+9), mutmaßlich bereits gewonnen.

Wie wichtig gerade dieser Parameter ist, weiß man in München zu genau. Vergangene Saison sorgte der Treffer von Jamal Musiala in Köln dafür, dass der um 16 Tore bessere FC Bayern erneut Meister wurde. Leverkusen und der VfB Stuttgart werden es wahrscheinlich nicht so deutlich werden lassen. Tuchel ist nun gefordert, die richtige Balance zu finden.