Lektion eins für Klinsmann

Nix war's mit fröhlichem Kick zum Wies'n-Auftakt. Nach der heftigen 2:5-Niederlage des FC Bayern gegen Bremen lernt Jürgen Klinsmann die weniger schönen Seiten des Trainer-Geschäfts kennen _ und ist am nächsten Tag trotzdem fröhlich.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Nix war's mit fröhlichem Kick zum Wies'n-Auftakt. Nach der heftigen 2:5-Niederlage des FC Bayern gegen Bremen lernt Jürgen Klinsmann die weniger schönen Seiten des Trainer-Geschäfts kennen _ und ist am nächsten Tag trotzdem fröhlich.

Die Fans machten die Welle. Jedes Mal, wenn Franck Ribéry am Sonntag beim Training an der Säbener Straße an ihnen vorbeilief, winkte er und riss die Arme nach oben. „Hallo!“ und „Salut!“, rief er – die Zaungäste freute es. Etwa 150 Fans waren gekommen, um die Übungseinheit am Tag danach zu beobachten.

Sie sahen: Gut gelaunte Bayern. Ein surrealer Vormittag. Trainer Jürgen Klinsmann war guter Dinge, das Stammpersonal joggte in Turnschuhen um die Plätze, die Reservisten wurden härter rangenommen. „So, jetzt haben wir sie müde gemacht“, rief Klinsmann am Ende und klatschte jeden ab.

19 Stunden zuvor musste Jürgen Klinsmann seinem Kollegen Thomas Schaaf von Werder Bremen gratulieren. Und eine seiner schlimmsten Niederlagen verdauen. Seit April 2007 war der FC Bayern zu Hause ungeschlagen, nun setzte es die höchste Niederlage in der Allianz Arena. Fünf Stück – noch peinlicher war’s nur 1976/77 beim 0:7 gegen Schalke 04.

0:5 stand’s am Samstag nach 67 Minuten – ein surrealer Nachmittag. Die 69 000, ob mit rot oder grün-weiß sympathisierend, trauten dem eben Erlebten nicht. „Jürgen Klins-mann“, skandierten die Werder-Fans und feierten mit Sprechchören ihren Ex-Mann Tim Borowski, der als Einwechselspieler mit zwei Treffern Debakel-Kosmetik betrieben hatte. Die Bayern wurden in ihrem eigenen Zuhause verhöhnt und verspottet, vereinzelt waren sehnsüchtige Rufe nach Ottmar Hitzfeld zu vernehmen, viele Fans machten sich vorzeitig auf den Heimweg. Vielleicht auch deshalb riet Präsident Franz Beckenbauer Trainer Klinsmann via „Premiere“ daher: „Ich beneide Dich nicht, trink ein paar Wiesn-Maß heute Abend.“ Doch Klinsmann war mit dem Fünferpack bestens bedient, meinte: „Ich nehme immer jeden Ratschlag von Franz gerne an, aber diesem werde ich nicht nachkommen.“ Ein Kater ohne Alkohol.

"Wir haben eine herbe Klatsche bekommen“, sagte Klinsmann, „man muss zugestehen, der Gegner war besser und hat uns eine Lektion gegeben. Daraus muss man lernen.“ Sein Ansatz, seine Hoffnung: Aus Niederlagen lernt man auch mehr als aus Siegen.“ Das 2:5 war Lektion eins für Klinsmann – seine bitterste Stunde als Vereinstrainer. „Es schmerzt“, gestand er, „es tut weh.“

Beckenbauer gab sich milde. Offenbar war er zu sehr geschockt. „Ja mei“, sagte er, „es ist eben die erste Niederlage, aber dass die gleich so happig ausfällt, hätten wir alle nicht gedacht. Ein schwarzer Tag.“ Beckenbauer schickte eine Hoffnung hinterher: „Ein Ausnahmetag.“ Ein Tag, an dem „du in der Nase bohrst und dir den Finger dabei brichst.“ Wenigstens ein Witz. Kein Grollen, kein Zorn. Wohl, weil er kein Gefühl dafür hatte, wie das 2:5 einzuschätzen ist. Noch am Mittwoch, nach dem 1:0 in der Champions League bei Steaua Bukarest hatte er Klinsmann geradezu hymnisch gelobt: „Jürgen bereichert den FC Bayern. Was er dort bisher schon geleistet hat, kann sich sehen lassen. Er passt zum FC Bayern. Die ganzen Umstrukturierungen, da wären wir nie drauf gekommen.“ Auch Manager Uli Hoeneß und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge verfielen der Schwärmerei.

Am Samstag verstummten sie. Ein wortloser Abgang. Hoeneß entschuldigte sich immerhin: „Ich möchte heute leider nichts sagen.“ Was auch? So viele Zweifel nach so viel Euphorie – und das nur binnen vier Tagen. Sie können Klinsmann noch nicht so richtig einschätzen, vor allem wie der Coach mit Pleiten umgeht.

Am Mittwoch, im DFB-Pokal gegen den 1. FC Nürnberg, wird Franck Ribéry wohl wieder dabei sein. Damit die Bayern die Welle auch mal wieder im Stadion machen können.

Patrick Strasser, Reinhard Franke

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