Leistungsträger verletzt: Die Leiden der Liga
München – Die Bundesliga leidet – so sehr sogar, dass jetzt die Trainer Alarm schlagen. 65 Bundesliga-Profis haben den Saisonstart verpasst. Der Grund: zu viele Spiele in kurzer Zeit. Dabei sind die Top-Teams ordentlich gestartet: Der FC Bayern ist Spitzenreiter, Bayer Leverkusen Zweiter und auch Borussia Dortmund hat nur drei Punkte Rückstand auf Bayer 04. Also doch alles im Lot? Mitnichten. Mitten in den englischen Wochen schimpfte Bayern-Trainer Pep Guardiola: „Wir killen die Spieler, wir verlangen zu viel von ihnen. Es ist unmöglich, dass alle drei Tage die gleichen Spieler spielen.“
Auch Dortmunds Jürgen Klopp klagt: „Die WM hat alle Spieler extrem viel Substanz gekostet. Das trägt nicht dazu bei, dass ein kurzer Urlaub reicht”, so Klopp.
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Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge rechnet im „Bayern-Magazin“ vor: „Franz Beckenbauer hat von 1965 bis 1977 103 Länderspiele bestritten.“ Eine Quote von 8,5 Spielen pro Jahr. „In viereinhalb Jahren kommt Thomas Müller bereits auf 58 Länderspiele, also auf etwa 13 pro Jahr.“
Wie sich die Belastung auf die Bundesliga auswirkt und wie es bei den europäischen Top-Teams läuft, erklärt die AZ hier:
Welche Stars hat’s erwischt?
Dortmund hat sechs Verletzte, darunter Stammspieler wie Henrikh Mkhitaryan oder Marcos Reus. Bei den Bayern fehlen Franck Ribéry, Thiago, Javi Martínez, Holger Badstuber und Weltmeister Bastian Schweinsteiger. Bei den schlecht gestarteten Schalkern pausieren gleich acht Spieler, darunter Benedikt Höwedes, Jefferson Farfan oder Leon Goretzka. Klopp erklärt: „Wenn du einen großen Kader hast, kannst du das auffangen. Wenn du diesen großen Kader nicht hast, weil viele Spieler verletzt sind, dann sind die, die spielen, schnell an der Schwelle wo es nicht mehr ok ist.“
Wen trifft die Kritik?
Hauptadressaten sind die Uefa und die Fifa. Klopps deftige Watschn: „Das interessiert auch ehemalige Spitzenspieler nicht, die in Spitzenpositionen sitzen. Man vergisst anscheinend nichts schneller als die eigene Belastung.“ Gemeint ist vor allem Uefa-Boss Michel Platini, Europameister mit Frankreich 1984. Besonders verärgert sind die Chefs über die frühen Länderspiele nach der Weltmeisterschaft: Schon im September mussten die Nationalmannschaften die ersten EM-Qualifikationsspiele bestreiten. Am 11. Oktober steht die nächste Runde an: Deutschland trifft auf Polen und drei Tage später auf Irland.
Das sagt der Mediziner
Der Augsburger Sportorthopäde Ulrich Boenisch, der Sami Khedira nach seinem Kreuzbandriss in Rekordzeit zur WM brachte, sagt in der „Zeit“: „Die wichtigen Partien sind so eng getaktet, dass man kaum noch Ruhe hat. Die Weltmeisterschaft ist gerade vorbei, da stehen die Quali-Spiele für die Europameisterschaft schon an, der DFB-Pokal, die Champions League – und die Liga läuft auch wieder.“ Bayerns Fitness-Coach Lorenzo Buenaventura vertritt die These, dass Spieler nach drei Tagen Pause gerade einmal zu 80 Prozent regeneriert haben.
So läuft’s im Ausland
Grundsätzlich hat die Bundesliga die geringste Belastung in Europa. Sowohl in England, Spanien und auch in Italien und Frankreich stehen pro Team vier Ligaspiele mehr auf dem Plan, die Ligen haben 20 Teams. Hinzu kommt in Spanien der Modus aus Hin- und Rückspiel im Pokalwettbewerb. In England wird der Ligapokal sogar in einem eigenen Wettbewerb ausgetragen. Eine Winterpause gibt es gleich gar nicht. In England begann die Saison sogar noch eine Woche früher.
Jammert die Liga zurecht?
Sportorthopäde Boenisch rät: „Die Vereine müssen reagieren und einen Kader hinter dem Kader aufbauen, um die Spieler zu schützen.“ Das machen die europäischen Top-Klubs schon: Die Bayern haben 27 Spieler in ihrem Profi-Kader, Borussia Dortmund sogar 30 Mann. Obwohl die europäische Konkurrenz noch mehr Spiele bestreitet, sind die Kader nicht größer. Der englischer Meister Manchester City hat 24 Spieler, der FC Barcelona 26 Spieler und Real Madrid sogar nur 22 Spieler im Kader.
Fazit
In den restlichen europäischen Ländern trifft es die Vereine sogar noch härter. Doch Boenisch schränkt ein: „Laut offizieller Fifa-Statistik hat sich die Verletzungswahrscheinlichkeit pro Spielminute nicht gesteigert.“ Die vielen Spiele würden aber vor allem ältere Profis treffen: „Ein älterer Spieler braucht nun mal mehr Zeit zur Regeneration als ein junger Kollege. Die hat man heute nicht mehr.“
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