Lahm: Schreihälse raus!

Philipp Lahm findet, dass laute Führungsspieler im Fußball von gestern sind: „Das Prinzip Effenberg würde heute nicht mehr funktionieren.“ Er will ein Chef der anderen Art sein.
HAMBURG Philipp Lahm lehnt sich mit Macht gegen einen Bretterverschlag – ein symbolisches Foto. Der Bayern-Profi ist das Testimonial einer neuen Anzeigen-Kampagne der Vereinten Nationen unter dem Motto „Stell dich gegen Armut“ für die weltweiten Aktionstage vom 16. bis 18. Oktober.
Auch sonst ist Lahm einer, der gerne seinen Namen hergibt. Ob als SOS-Kinderdorf-Botschafter, für die Stiftung „Bündnis für Kinder. Gegen Gewalt!“. Oder auch für den Welt-Aids-Tag am 1. Dezember. Da macht er den Lauten.
Anders als auf dem Platz. Der Fußballer Lahm ist ein ruhiger, sachlicher Vertreter seiner Zunft. „Heutzutage gibt es nicht mehr nur den einen Spieler wie damals Stefan Effenberg, der unbedingt laut sein musste, damit er respektiert wird“, sagte der 25-jährige nun in einem Interview mit dem „Playboy“.
Lahms Credo: In Top-Vereinen wie beim FC Barcelona oder bei Manchester United übernehme jeder Spieler Verantwortung auf dem Platz. Das sei heute wichtiger, als den einen Spieler zu haben, der auf Chef macht.
„Das Prinzip Effenberg würde heute nicht mehr funktionieren“, sagt Lahm und stellt fest: „Grundsätzlich ist es im Fußball leiser geworden, die Schreihälse haben ausgedient.“
Ein dezenter Gruß an die lauten Vertreter der Vergangenheit und der Gegenwart – etwa die Ex-Kapitäne der Bayern Oliver Kahn, Stefan Effenberg, Lothar Matthäus und Paul Breitner, die genau wie der aktuelle Boss des Teams, Mark van Bommel, mit ihrer Meinung des öfteren nicht gerade zurückhaltend umgegangen sind. Für diese Spielerkategorie galt: Poltern als Prinzip - weil es aufrütteln sollte und als förderlich für die Leistung der Mannschaft erschien. Ein überholtes Prinzip? Laut Lahm ja.
Mit seinen Gedanken macht der Abwehrspieler zugleich Werbung in eigener Sache. Seit van
Bommels Zehenbruch am ersten Spieltag der Saison Anfang August ist Lahm Kapitän des FC Bayern, auch in der Nationalelf hat er bereits die Binde getragen (beim 1:1 im Juni in China). Trainer Louis van Gaal hatte Lahm am Ende der Sommer-Vorbereitung zum Stellvertreter bestimmt. Weil Lahm einer ist, der mitdenkt und sich vor den Medien differenziert ausdrücken kann.
Hört man ihn reden, ist man immer wieder überrascht, dass der Münchner erst 25 ist.
Sich selbst sieht er als Prototypen des modernen Fußballers. Nicht angepasst, meinungsstark – jedoch mit Diplomatie. „Einfach nur dabei zu sein, ein bisserl mitkicken,und das war's – das wäre mir zu wenig“, sagte er, „wenn etwas beim FC Bayern auf die falsche Bahn gerät, dann werde ich nicht stumm dasitzen und das abnicken, sondern das klar und deutlich ansprechen“, erklärte Lahm im „Playboy“.
Kritik, findet er, müsse immer sachlich, nie willkürlich sein: „Richtig fies, das kann ich nicht.“ ps