Lahm lässt Äthiopien laufen

Bayerns Nationalspieler über sein Engagement in Afrika, seine Pläne vor der WM am Kap – und warum ihn seine Kollegen aufziehen.
AZ: Im Gegensatz zu vielen anderen Sportstars engagieren Sie sich in vielfältiger Weise für sozial benachteiligte Menschen. Was ist Ihr Antrieb?
PHILIPP LAHM: Da muss ich nicht lange überlegen. Das ist ganz klar meine Vorbildfunktion als Sportler.
Nach einem Besuch in Südafrika entschlossen Sie sich, eine eigene Stiftung zu gründen. Welche Ziele verfolgt die Philipp-Lahm-Stiftung?
Vor allem Kinder und Jugendliche liegen mir am Herzen. Es ist mein Wunsch, benachteiligte junge Menschen in Sport und Bildung zu fördern – nicht nur in Deutschland, sondern besonders auch in Afrika.
Sie könnten doch auch einfach Geld spenden. Warum haben Sie sich für eine – durchaus zeitaufwändige – Stiftung entschieden?
Es geht darum, langfristige Projekte zu unterstützen. Durch diese Stiftung habe ich die Möglichkeit, mich über Jahre hinweg zu engagieren.
Welche Projekte laufen denn im Moment?
In München arbeiten wir mit LiLaLu beim Projekt „Mädchen an den Ball“ zusammen. In Südafrika unterstützen wir zusammen mit der Hilfsorganisation Score ein Ausbildungsprogramm für Jugendliche. Und dann gibt es da auch noch das Projekt „Laufschuhe für Bokoji“, für einen Ort in Äthiopien.
In der Heimat der äthiopischen Wunderläufer. Dort, wo Kinder und Jugendliche oft barfuß auf steinigen Wegen trainieren. Sind die Schuhe schon eingetroffen?
Ja, unser Kuratoriumsmitglied Dr. Cornelia Schmoll hat die Schuhe an Ort und Stelle gebracht, aber ich sage Ihnen: Wir mussten sehr kreativ sein, bis wir alle Hürden genommen hatten.
Ein Besuch bei den Ärmsten der Armen in den Townships von Südafrika war der Auslöser für Ihr Engagement. Wie groß ist die Not im Land der WM 2010?
Wie die Lage wirklich ist, kann ich nicht abschätzen, dazu bin ich zu weit weg. Bei meinem Besuch in Südafrika waren wir in Johannesburg und Soweto. Gerade in den Townships sind die Lebensumstände sehr, sehr schwierig. Dieses mehr oder weniger hilflos mit anzusehen, ist bedrückend. Im Sommer 2009 möchte ich wieder nach Südafrika reisen.
Sind fürs WM-Jahr spezielle Aktionen oder Projekte in Südafrika geplant?
Ja, wie gesagt, zusammen mit Score bemühen wir uns um die Ausbildung von jungen Afrikanern. Sie sollen die Möglichkeiten erhalten, aktiv bei der Organisation der WM 2010 mitzuhelfen. Zwei Vorstandskollegen der Stiftung sind Anfang Januar in Kapstadt beziehungsweise Johannesburg, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
Sie engagieren sich in der Aids-Hilfe, waren auch heuer wieder Botschafter des Welt-Aids-Tages. Wie kam es zu diesem Engagement?
Beim Besuch in Südafrika und Swaziland ist mir sehr klar geworden: Aids ist eine Katastrophe. Mit Aufklärung kann man hier sehr viel erreichen. Da Aids auch in Deutschland weiterhin bekämpft werden muss, engagiere ich mich gerne.
Ändern derartige Aktionen wirklich etwas am Bewusstsein der Menschen?
Ändert ein Stoppschild an der Straße etwas? Ich hoffe doch! Die Aids-Kampagne bedeutet für mich: Stopp, verhalte dich verantwortungsbewusst und genieße somit den richtigen Spaß im Leben.
Noch immer ist Homophobie im Profi-Fußball verbreitet. Sie gaben der Schwulen-Zeitschrift „Front“ sogar ein großes Interview. Gibt es Wege, diese Vorurteile zu bekämpfen? Oder ist die Zeit bereits reif, dass sich ein Profi als homosexuell outen könnte?
Weshalb, sogar! Warum sollte ich denn kein Interview geben? Ich halte das nicht für wahnsinnig mutig. Es ging in erster Linie um die Aids-Aufklärung – und dafür engagiere ich mich. Und ich finde es uninteressant die Frage zu klären, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich zu outen. Ich will das ja gar nicht wissen, denn die sexuelle Orientierung fällt in die Privatsphäre jedes Einzelnen und geht mich also gar nichts an.
Sie haben den „Tolerantia-Preis“ der Initiativgruppe „Schwules Weimarer Dreieck“ erhalten. Wie wichtig ist Ihnen eine derartige Ehrung?
Ich habe die Auszeichnung zusammen mit DFB Präsidenten Theo Zwanziger erhalten. Die Auszeichnung bestärkt mich, weiter meine Vorbildfunktion als Sportler wahrzunehmen.
Oder gibt es womöglich sogar noch weitere Felder, auf denen Sie sich betätigen wollen?
Ich werde mich sicher weiter engagieren. Unser neues Projekt mit Score braucht Unterstützung. Deshalb bin ich im nächsten Jahr sicher auch auf Spendensuche.
Mussten Sie sich von Fußball-Kollegen schon für Ihr Engagement verspotten lassen?
Wir sind eine Fußballmannschaft! Bei der Aktion gegen Raser wurden Wetten abgeschlossen, wann ich geblitzt werde und vielleicht den Führerschein abgeben muss. Obwohl ich sowieso eher ein gemütlicher Autofahrer bin, hat mich das zusätzlich motiviert, vorsichtig zu fahren.
Viele Fußballer lieben teure, schnelle Autos. Ihr Konterfei war an den Autobahnen mit dem Spruch „Raser bekommen so viel Respekt. Hast du die Größe?“ zu sehen. Wessen Idee war das?
Das Büro von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat mich gebeten, diese Aktion zu unterstützen. Wir haben dann diese Plakat-Aktion auf den Autobahnen gemacht und einen Spot für das Kino gedreht. Das Thema: Sicheres, vorausschauendes Autofahren bringt einen schneller und stressfreier ans Ziel. Die Aufnahmen haben richtig Spaß gemacht.
Viele Menschen spenden lediglich an Weihnachten großzügig. Wäre nicht ein ganzjähriges Engagement auf niedrigerem Niveau besser?
Ich will mich für Themen, die zu mir passen, einsetzen und nicht Ratschläge erteilen. Mein Engagement kostet mich Zeit und Geld, aber ich habe bislang auch Glück im Leben gehabt.
Und hat ein Mensch, der so viel Glück gehabt hat, vielleicht einen Weihnachtswunsch, der über Materielles hinaus geht?
Natürlich. Ich wünsche mir, dass es meiner Familie und meine Freunden gut geht.
Interview: Jochen Schlosser