Lahm bekommt „eins auf die Backe!“
Mit seinem Rundumschlag hat sich Philipp Lahm womöglich auch in der Mannschaft des FC Bayern isoliert. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen und sagt, welche Folgen das umstrittene Interview hat
MÜNCHEN Joggingschuhe an und raus an die frische Luft, ein wenig laufen. Die Bayern-Profis drehten am Sonntagvormittag auf dem Trainingsgelände an der Säbener Straße ihre Runden, Trainer Louis van Gaal schaute von oben, aus einem der Fitness-Räume, auf seine Spieler herab.
Mittendrin im Traber-Pulk der ersten Elf vom 1:1 gegen den FC Schalke: Philipp Lahm und Luca Toni, die Sündenböcke des Wochenendes, finanziell um eine hübsche Summe erleichtert nach ihren Vergehen: Einerseits massive, öffentliche Kritik am Arbeitgeber sowie im Fall des Italieners unerlaubtes, vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes. Zwischendrin sah man Lahm lächeln, er grinste einmal sogar über das ganze Gesicht, er plauderte angeregt mit den Mitspielern. Hatte er die, besonders die Abteilung Mittelfeld, nicht auch harsch angegangen in seinem Interview? Eine spannende Frage wird sein, wie sehr das Binnenverhältnis der Mannschaft durch den Alleingang des Rechts- wie Linksverteidigers nun nachhaltig belastet sein wird. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen zur Lahm-Attacke:
Gegen welche „Presse-Regeln“ hat Lahm verstoßen?
In der Presseerklärung von Sonntag heißt es: „Erstens: Interviews müssen ausschließlich beim Klub angefragt und organisiert und zum Autorisieren für den Spieler vorgelegt werden. Dies ist im Lizenzvertrag festgelegt und von jedem Spieler bestätigt. Zweitens: Es ist ein absolutes Tabu, in der Öffentlichkeit Kritik gegen den Klub, den Trainer und Mitspieler zu äußern.
Wie reagierten die Mitspieler?
Nach dem 1:1 gegen Schalke war es den Bayern-Profis offenbar nahegelegt worden, gegenüber den Reportern darauf zu verweisen, das Interview noch nicht gelesen zu haben. Eine gewisse Distanz waren aber aus mancher Aussage schon herauszuhören. Siehe Miroslav Klose: „Das waren Philipps Worte.“ Oder von Kapitän Mark van Bommel: „Wir gewinnen und verlieren zusammen. Kein Spieler ist größer als der Verein.“ Womöglich eine kleine Retourkutsche dafür, dass Lahm explizit das Mittelfeld um den Sechser van Bommel als Zentrum des spielerischen Dilemmas ausgemacht hatte. Gerade gegenüber dem Holländer, ein Befürworter des Spielsystems und der Methoden von Landsmann van Gaal, könnte Lahm nun in Zukunft eine Oppositionsrolle übernehmen. Es wird interessant sein, zu sehen, welcher Spieler sich welcher Gruppe anschließt. Es droht ein Graben im Team, ein Machtkampf.
Was glauben die Experten?
Udo Lattek befürchtet genau dies. „Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war unmöglich“, findet der Ex-Bayern-Trainer. Lattek weiter: „Es wird jetzt offene Diskussionen in der Kabine geben. Wenn es hart auf hart kommt, bekommt Philipp eins auf die Backe. Es kann sein, dass er nun vollkommen separiert ist.“ Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Lahm und van Gaal, der ihn vor der Saison zum Vize-Kapitän berufen hatte, dürfte damit zerstört sein.
Gibt es einen ähnlichen Fall?
Ex-Bayern-Kapitän Thomas Helmer zog am Sonntag im „DSF“ den Vergleich zur Dauerfehde zwischen Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann, den er im Winter 1995/96 erst durch ein klärendes Gespräch mit Franz Beckenbauer beeinflussen und damit beenden wollte. Der Präsident wollte aber keine der Streithähne feuern. „Um auf das Problem aufmerksam zu machen, habe ich mich dann an die Öffentlichkeit gewandt“, sagte Helmer. Er gab der „Sport-Bild“ ein Interview.
Was passiert mit der Geldstrafe?
Egal in welcher Höhe – die Summe wird meist vom nächsten Monatsgehalt des Profis einbehalten und einem karitativen Zweck zugeführt.
Patrick Strasser