Lahm: Auf Ledersohlen durch Autoreifen

„Es ist meine Pflicht!“ Bayerns Philipp Lahm schenkt 80 Kindern eine Woche Spaß im Sommercamp.
MAXHOFEN Nein, es ist nicht irgendein Schullandheim. Frisch renoviert mit schmuckem Schieferdach präsentiert sich Maxhofen, der Stammsitz des Herrschergeschlechts der Ainhofener und spätere Anwesen der Grafen von Preysing. „Es ist wirklich wunderschön hier, wie ein Schloss – und der Bio-Bauernhof liegt gleich gegenüber“, sagt Philipp Lahm voller Stolz. Im Teich quaken Frösche, im Park zwitschern Vögel, im Stall muhen die Kühe. Hier nahe Bruckmühl im Landkreis Rosenheim, 45 Kilometer südlich von München, hat der Bayern-Star sein „Philipp-Lahm-Sommercamp“ aufgeschlagen.
Es ist eine typische Lahm-Aktion. Bekanntlich engagiert er sich für die Aidshilfe, kämpft gegen Raserei im Straßenverkehr und unterstützt mit seiner Stiftung Hilfsprojekte für Kinder im südlichen Afrika. „Nun habe ich mir gedacht: Es ist meine Pflicht, hier auch in der Nähe Münchens etwas zu machen, für Kinder, die im Leben nicht so viel Glück hatten wie ich“, sagt der Nationalspieler.
80 Buben und Mädchen dürfen für eine Woche, noch bis Samstag, im idyllischen Schlösschen lernen und entspannen. „Alles umsonst! 20 von der Caritas ausgewählt, 40 wurden bei einer Aktion mit Antenne Bayern ausgewählt und 20 vom Sozialreferat“, erzählt der 25-jährige Nationalspieler. Schließlich gehört das Anwesen seit 1960 der Stadt München, die es als Schullandheim nutzt.
Rings ums Schlösschen stehen graue würfelförmige Zelte, so genannte „Cubes“. Auf dem Programm der Kinder und Jugendlichen stehen alle möglichen Workshops, die unter den Schlagworten Persönlichkeit, Ernährung und Bewegung stehen: in der Gruppe ein Labyrinth bauen, gemeinsames Kochen undsoweiter. Auch angeboten werden „Slacklining“, auf Deutsch Seiltanzen, und Action auf dem „Balance Board“, also Gleichgewichtsübungen. Was auf den ersten Blick klinsmannisch wirkt, begeistert Kinder und Jugendliche aber tatsächlich. „Es macht riesigen Spaß“, sagt der 12-jährige Leon, der aber dennoch einen Zusatzwunsch hat: „Kicken mit dem Philipp, das wäre schon toll.“ Und die anderen Kinder rufen aus dem Hintergrund im Chor: „Wir wollen Fußballspielen!“ Leon sagt: „Vielleicht können wir ihn ja überreden.“
Vielleicht. Denn Lahm, der beim ersten Besuch in Lederhalbschuhen und schwarzem Sakko ohnehin fußballfeindlich gekleidet erschien, hat sich gezielt gegen ein Fußballcamp entschieden: „Davon gibt’s ja schon so viele.“ Ganzheitlich geht’s also zu im Sommercamp, womit der Star dann doch eher auf das Grundprinzip seines neuen Trainers Louis van Gaal setzt. „Er wird mich bestimmt fragen, was ich da so mache“, glaubt Lahm, der bekanntlich vom Coach als Bayern-Kapitän verschmäht wurde. Wobei er wirklich bestens geeignet wäre, sollen doch bereits die Kinder in seinem Sommerlager „das Miteinander“ lernen. Lahm sagt: „So wie man sich gibt, so erwartet man, dass man behandelt wird.“
Und so winkt der Star natürlich zurück, als sich ihm aus den Fenstern des edlen Schullandheims über 100 Hände entgegen recken. Im Umgang mit seinen kleinen Gästen muss der bislang kinderlose 25-Jährige („Irgendwann Kinder zu haben, gehört natürlich dazu“), jedoch noch ein bisschen lockerer werden. Während Buben und Mädchen in Trainingsanzügen durch Autoreifen hüpfen, wirkt Lahm im Jackett und mit Ledersohlen etwas elitär. Und als er vor dem Abendessen in den Speisesaal reinschaut, steht er recht verlegen da und stellt Fragen wie „Hat’s Spaß gemacht?“ oder „War’s schön heute?“ Die Antwort ist jeweils ein donnerndes „Ja“. Lahm ist gerührt. „Es gibt nichts Schöneres als die Freude der Kinder zu sehen“, sagt er. Es könnte also klappen, mit dem Überreden. Denn eine größere Freude, als mit ihnen zu kicken, könnte Lahm den Kindern im fußballfreien Camp nicht machen.
Jochen Schlosser