Kutzop: „Der Fehlschuss war ein Highlight“

Michael Kutzop, dessen verschossener Elfmeter Bayern 1986 den Titel brachte, erinnert sich:
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der legendäre Fehlschuss: Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff ist geschlagen, aber den Ball klatscht an den Pfosten.
Imago Der legendäre Fehlschuss: Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff ist geschlagen, aber den Ball klatscht an den Pfosten.

Michael Kutzop, dessen verschossener Elfmeter Bayern 1986 den Titel brachte, erinnert sich:

AZ: Hallo Herr Kutzop, haben Sie einen Moment Zeit für uns?

MICHAEL KUTZOP: Worum geht's?

Können Sie sich das nicht denken? Der FC Bayern braucht wieder ein Wunder im Meisterkampf und Sie haben ihm bekanntlich doch mal eins geschenkt.

Waren Sie damals schon auf der Welt?

Ja. Es ist jetzt 23 Jahre her, als Sie am vorletzten Spieltag 1985/86 gegen Bayern beim Stand von 0:0 in der 89. Minute einen Elfmeter an den Pfosten geschossen haben. Sonst wäre Werder Bremen Deutscher Meister geworden, so wurden es vier Tage später die Bayern. Es war der berühmteste Fehlschuss der Bundesliga-Historie.

Ja, und mein einziger bei siebzehn Versuchen. Ich werde noch jedes Jahr darauf angesprochen oder erinnert, egal wo und zu welcher Jahreszeit. Zuletzt in Düsseldorf, da saß ich bei einem Leverkusener Spiel auf der Tribüne. Plötzlich stieß mein Freund Rudi Völler den Berti Vogts an, zeigte auf mich und sagte: „Berti, weißt du warum ich nie Meister wurde? Wegen dem da.“

Sie waren zehn Jahre Profi und 1988 trotzdem Meister mit Werder. Wie gehen Sie damit um, dass ihre insgesamt erfolgreiche Karriere auf diesen einen Moment reduziert wird?

Es ärgert mich nicht, denn der Fehlschuss war trotzdem ein Highlight meiner Karriere. Die Saison war persönlich ein Riesenerfolg für mich, ich hatte als einziger Bremer alle 34 Spiele gemacht und zehn Tore erzielt.

Aber die Werder-Fans sahen das etwas kritischer…

Schon, ich habe nachts Droh-Anrufe bekommen. Oder Anrufe von Bayern-Fans, die sich nur mal bedanken wollten. Ich musste meine Nummer ändern lassen.

Stimmt es, dass Sie anfangs auch Albträume hatten?

Am Anfang schon, ich wälzte mich schweißgebadet im Bett. Der Bruno Pezzey lag mit mir im Zimmer, weckte mich und sagte: „Es ist doch nur ein Traum!“

Vorwürfe gab es aus der Mannschaft keine. Hatten Sie damals Schuldgefühle?

Ach wissen Sie, für mich war es nie ein Thema, Verantwor-tung zu übernehmen. Wenn es Elfmeter gab, bin ich eben hingegangen. Ich sehe mich in guter Gesellschaft von Uli Hoeneß oder Lothar Matthäus, die auch schon entscheidende Elfmeter verschossen haben. Außerdem war es ein unberechtigter Elfmeter, der Sören Lerby hat kein Handspiel gemacht. Und hätte ich getroffen, wäre er wiederholt worden, weil ich abgestoppt hatte – sagte jedenfalls Schiedsrichter Roth.

Warum haben Sie eigentlich verschossen? Ist es etwas anderes, einen Elfmeter am Saisonende zu schießen als am ersten Spieltag?

Tatsache ist: der Ball war weg, vielleicht habe ich da einfach zu viel Zeit gehabt, um nachzudenken.

Stimmt, genau 128 Sekunden. Bayerns Co-Trainer Egon Coordes hatte ihn aus Wut auf die Ränge geschossen. Der Ball musste erst mal gesucht werden. In der Zwischenzeit flüsterten ihnen Bayern-Profis angeblich kleine Gemein-heiten ins Ohr. Wie stehen Sie zu den Bayern heute?

Was soll ich sagen? Ich wette privat immer gegen sie, verliere aber neunzig Prozent der Wetten. Doch ich bin froh, dass es nicht schon wieder einen Durchmarsch gibt, sondern Spannung.

Wiederholt sich 1986 an diesem Samstag?

Nein, so eine Konstellation wird es nie wieder geben. Diesmal gibt es kein Wunder, der Felix Magath lässt sich das nicht mehr nehmen. Ihm gönne ich das auch, der kommt wie ich aus Aschaffenburg.

Was machen Sie selbst heute beruflich?

Ich leite die Fußballschule von Rudi Völler auf Mallorca. Pfingsten geht's wieder für drei Wochen in den Süden.

Aber der Elfmeter verfolgt sie auch bis dahin…

Stimmt. Den Kindern wird zur Einstimmung immer ein Film von Rudis Karriere-Höhepunkten gezeigt – und der Elfmeter ist natürlich auch dabei. Der Rudi hat ihn ja schließlich rausgeholt. Dann johlen die Kinder immer, von 100 sind ja 90 Bayern-Fans.

Interview: Udo Muras

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.