Kult-Keeper: "Starke, die Krake - finde ich cool"

München - Tom Starke spielte von 2006 bis 2007 für den SC Paderborn. 2012 wechselte er zum FC Bayern. Er ist außerdem Torwartkoordinator im Nachwuchsleistungszentrum.
AZ: Herr Starke, wie wird man eigentlich Kultspieler beim FC Bayern?
TOM STARKE: (lacht) Das ist schwer zu sagen. Ich sehe mich nicht als Kultspieler. Ich kann nur sagen, wie ich es bislang gemacht habe hier bei Bayern.
Bitte.
Ich versuche einfach, authentisch zu bleiben. Letztendlich muss man seine Leistung bringen, wenn es darauf ankommt. Ich habe alles gegeben für Bayern, zu jeder Zeit. Das honorieren die Fans.
Und genauso der Verein, der es Ihnen hoch anrechnet, dass Sie aus dem Ruhestand zurückgekehrt sind nach der Verletzung von Manuel Neuer, um auszuhelfen. Inzwischen haben Sie ja sogar einen charmanten Spitznamen: "die Krake".
Ich finde den Namen ehrlich gesagt total cool. Da huscht schon ein Lächeln über mein Gesicht, wenn ich "Starke, die Krake" höre. Es ist ja etwas, das positiv behaftet ist.
2012 sind Sie zu Bayern gekommen, vorher hatten Sie fünf Profiklubs. Auch der SC Paderborn, Bayerns Pokalgegner an diesem Dienstag, gehört dazu. Gibt es noch Kontakt nach Paderborn?
Zum Verein weniger, aber ein paar Leute aus dem Betreuerteam kenne ich noch. Mit Markus Krösche (Geschäftsführer Sport, Anm. d. Red.) habe ich zusammengespielt. Er hat uns übrigens als "Freilos" bezeichnet, die Paderborner wollen uns weghauen.
"Ich bin offen für Humor und gebe auch gern ein paar Sprüche zurück"
Javi Martínez sagte kürzlich, Sie würden aussehen wie 50, aber wie ein 28-Jähriger trainieren. Thomas Müller meinte, Ihre Abschläge würden nicht mehr ganz so weit fliegen wie früher. Ganz schön frech, die jüngeren Kollegen.
Die Jungs wissen ja, mit wem sie es machen können. Ich bin offen für Humor und gebe auch gern ein paar Sprüche zurück. Das kommt alles von Herzen, das macht Spaß.
Hätten Sie es selbst für möglich gehalten, dass Sie mit 36 noch bei Bayern spielen?
Gedacht habe ich das nicht, ich habe es mir vielleicht in meinen kühnsten Träumen gewünscht. Wie die Entwicklung bei mir gewesen ist, das ist wirklich perfekt.
14 Titel haben Sie seit 2012 geholt - dabei standen Sie in nur zwölf Pflichtspielen auf dem Platz. Wahrscheinlich sind Sie der effektivste Bayern-Spieler der Historie.
(lacht) Die Krake, der effektivste Bayern-Spieler aller Zeiten - das ist schön, das nehme ich alles gerne mit. Deshalb bin ich ja letztlich auch hierhergekommen: um Titel zu gewinnen. Dass es so viele werden, war natürlich nicht absehbar.
Wie viele Titel werden es denn in dieser Saison?
Wir sind auf einem sehr guten Weg, das Klima in der Mannschaft passt, wir gewinnen die Spiele, zum Teil auch mit sehr schönem Fußball. In der Meisterschaft sieht es sehr gut aus. Im Pokal haben wir die beiden nominell härtesten Gegner ausgeschaltet mit Dortmund und Leipzig. Natürlich würden wir gerne das Double holen. Und in der Champions League ist es ab der K.o.-Phase ein Tanz auf der Rasierklinge.
Sie sind ja aktuell nicht nur zweiter Keeper bei den Bayern, sondern auch Torwartkoordinator der Junioren. Wie anstrengend ist die Doppelbelastung?
Es sind lange Tage. Ich frühstücke morgens noch zuhause mit meinen Kindern, weil die im Moment nicht so viel von ihrem Papa haben. Gegen 9 Uhr bin ich an der Säbener Straße, trainiere, fahre mittags zum Bayern-Campus, mache Büroarbeit und Scouting, und dann trainiere ich um 17.30 Uhr die Torhüter, die ja vorher in der Schule sind. Vor halb neun bin ich abends nicht zuhause. Es ist schon anstrengend, aber ich jammere nicht. Wenn man sieht, wie die Jungs sich entwickeln, ist alles andere schnell vergessen.
Manuel Neuer arbeitet gerade an seinem Comeback. Wie geht es ihm?
Ich sehe, dass er Fortschritte macht und die Belastung steigert.
Wie wichtig wäre es, dass Neuer im Saisonfinale noch eingreifen kann?
Ich kenne Manuels Motivation besser als die meisten anderen. Selbst das Pokalspiel gegen Paderborn wäre für ihn kein Spiel, das er gern auslassen würde. Wenn Manu fit ist, hebt er das Niveau jeder Mannschaft der Welt.
Sven Ulreich vertritt Neuer exzellent. Wie erleben Sie ihn?
Es ist ja völlig normal, dass er selbstbewusster ist als vorher. Sven saß zwei Jahre fast nur auf der Bank, jetzt erfährt er eine Anerkennung wie nie zuvor. Es heißt eben nicht mehr: Da steht die Nummer zwei im Tor. Jetzt heißt es: Der Sven ist da hinten, auf den können wir uns verlassen.
"Jupp Heynckes nimmt jeden mit ins Boot"
Sollte Ulreich als dritter Torhüter mit zur WM fahren?
Das würde ich sofort unterschreiben. Ich sehe aktuell nicht so viele Torhüter, die besser sind als Sven. Er bringt konstant sehr gute Leistungen, hat keine Ausschläge nach unten. Und Sven ist ein Mannschaftsspieler. Deshalb wäre er prädestiniert für diese Rolle bei einem Turnier.
Sie haben Jupp Heynckes schon in der Triple-Saison erlebt, nun spielen Sie wieder unter ihm. Wie schafft er es, dass seine Mannschaft ihm bedingungslos folgt?
Karo einfach - das ist das Geheimnis des Trainers. Jupp Heynckes nimmt jeden mit ins Boot, der Teamgedanke steht bei ihm über allem. Er hat ein offenes Ohr für alle Mitarbeiter, erkundigt sich auch nach privaten Dingen. Das überträgt sich auf die Mannschaft. Was die Spieler betrifft: Es hilft, dass der Trainer fließend Spanisch spricht. So kann er ganz anders auf die Jungs wie Thiago, Arturo (Vidal, d.Red.) oder James eingehen. Die Sprache ist essenziell: Wenn du in einer Besprechung sitzt, musst du verstehen, was der Trainer von dir will.
Entwickelt sich bei den Bayern gerade das Gefühl, dass man Heynckes das Triple zum Abschied schenken will?
Wenn da draußen ein Trainer steht, den du gar nicht magst, können dir vielleicht die letzten zwei, drei Prozent fehlen.
Gibt es eine Chance, dass Heynckes bleibt?
Ich habe mir ja schon schwer vorstellen können, dass ich noch mal zurückkomme. Aber Jupp Heynckes und Peter Hermann? Das war für mich ausgeschlossen. Und es ist passiert.
Welchen persönlichen Traum verfolgen Sie nach der Karriere?
Ich stehe auf amerikanische Fahrzeuge, es war schon immer ein riesiges Interesse von mir, diese Muscle Cars zu fahren. Zuhause habe ich auch eine Harley. Ich habe von Bayern zum Abschied im vergangenen Sommer eine Tour geschenkt bekommen: Mit der Harley die Route 66 entlang. Bislang hatte ich keine Zeit dafür, aber diesen Traum werde ich mir auf jeden Fall demnächst erfüllen.