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Krisenjahre des FC Bayern: Als Beckenbauer ging – und mit ihm der Erfolg

Start der neuen AZ-Serie zu den Krisen-Jahren des FC Bayern: Nach dem Hattrick im Europapokal der Landesmeister geht es ab 1977 für die Münchner steil bergab – besonders der Beckenbauer-Abschied tut weh.
von  Patrick Strasser
"Welcome Kaiser Franz": So wurde Beckenbauer 1977 in New York empfangen.
"Welcome Kaiser Franz": So wurde Beckenbauer 1977 in New York empfangen. © imago

München - Mit der Eröffnung des Olympiastadions läutet der FC Bayern im Juni 1972 eine Zeitenwende ein, stößt in ungeahnte Dimensionen, was das Finanzielle betrifft. Sportlich gelingt mit dem Hattrick im Europapokal der Landesmeister, errungen unter den Trainern Udo Lattek und Dettmar Cramer, der bis dato größte Erfolg der Vereinsgeschichte. 1974, 1975 und 1976 stemmen Kapitän Franz Beckenbauer, Torhüter Sepp Maier, Uli Hoeneß, Katsche Schwarzenbeck, Bulle Roth & Co. den Henkelpott.

In den Endspielen begleitet die Roten mehr Glück als Geschick. Der Europacup-Hunger dieser Generation ist unstillbar, während man es nach dem Meister-Hattrick in der Bundesliga von 1972 bis '74 auf nationalem Parkett etwas gemütlicher, ja sorgloser angehen lässt.

FC Bayern in den 70er Jahren: International erfolgreich, national sorglos

Vorgeschichte/Ausgangslage: Mit Rainer Zobel und Johnny Hansen verlassen zwei erfahrene Defensiv-Kräfte die Bayern, geholt werden lediglich No-Names und Talente, unter anderem ein 18-Jähriger mit dem ulkigen Namen Klaus Augenthaler, der mit den Profis trainiert, aber nur bei der Amateur-Mannschaft kickt.

Auf dem Cheftrainer-Posten hat der verschlossene Cramer den Motivator Lattek im Januar 1975 abgelöst und zwei Landesmeister-Titel geholt. Aber in der Bundesliga hapert es gewaltig: Platz zehn 1974/75 wird nur dank der europäischen Titelverteidigung kaschiert.

Ein Jahr später reicht es immerhin zu Rang drei – erneut hinter der neuen Bundesliga-Macht Borussia Mönchengladbach. Der Triumph der Fohlen hätte nur verhindert werden können, so Beckenbauer, "wenn alle Gladbacher auf einmal eine Lungenentzündung bekommen hätten".

FC Bayern in der Krise: "Wenn der Bauer Pech hat, findet er Mist in der eigenen Hose"

Saisonverlauf/Titel-Ausbeute: Die Mannschaft wirkt satt und wankelmütig. Höhen und Tiefen wechseln zu häufig. Im September dreht man einen 0:4-Rückstand beim VfL Bochum ab der 53. Minute in einer legendären Aufholjagd in einen 6:5-Erfolg.

Drei Wochen danach setzt es mit dem 0:7 gegen Schalke 04 die höchste Heimspiel-Niederlage aller Zeiten. Rang zwei ist die beste Platzierung der erneut enttäuschenden Bundesliga-Saison, Platz zwölf nach dem vierten Spieltag die schlechteste. Ins Ziel trudelt man am Ende mit 65 (!) Gegentoren auf Rang sieben.

Drei Mal bayerische Silberware - und zugleich die ersten Anzeichen der Krise: Präsident Wilhelm Neudecker mit den Landesmeister-Pokalen.
Drei Mal bayerische Silberware - und zugleich die ersten Anzeichen der Krise: Präsident Wilhelm Neudecker mit den Landesmeister-Pokalen. © imago

Cramer hadert: "Wenn der Bauer Pech hat, findet er Mist in der eigenen Hose." Weil der vierte Titel hintereinander im Landesmeister-Bewerb nach dem Viertelfinal-Aus gegen UdSSR-Meister Dynamo Kiew (1:0/0:2) ausbleibt, reicht es in der darauffolgenden Saison nach fünf Jahren im wichtigsten kontinentalen Wettbewerb nur für die Uefa-Cup-Teilnahme.

Dafür gewinnt man im ersten Versuch den Weltpokal. Nach dem 2:0 in München gegen Cruzeiro Belo Horizonte rettet man im Rückspiel am 21. Dezember in Brasilien vor 120.000 Zuschauern ein 0:0 über die Zeit. An Weihnachten kommt der Weltpokal unter den Baum.

Franz Beckenbauer flüchtete vor Problemen in die USA

Im DFB-Pokal besiegt man sich selbst, schaltet Anfang Januar 1977 in einem kuriosen Duell die eigenen Amateure mit 5:3 aus – vor 6.500 fröstelnden Zuschauern im Olympiastadion. Gerd Müller trifft vier Mal gegen die vereinseigenen Jungspunde um Augenthaler.

Im Viertelfinale kommt das Aus bei Hertha BSC, trotz 2:1-Führung in der Verlängerung setzt es noch ein 2:4. Der größte sportliche Verlust ist der Abgang von Beckenbauer, der am 21. Mai 1977 sein letztes von insgesamt 582 Pflichtspielen im Bayern-Dress bestreitet.

Franz Beckenbauer (links) und Pelé 1977 im Trikot von New York Cosmos.
Franz Beckenbauer (links) und Pelé 1977 im Trikot von New York Cosmos. © imago images/Werek

Der Kaiser, erneut zu Europas Fußballer des Jahres gewählt, flüchtet wegen Problemen mit dem Finanzamt und seiner Ehefrau (eine Liebesaffäre wird bekannt) in die US-Soccer-Liga. Er heuert bei Cosmos New York an, einer Weltauswahl angeführt von Brasiliens Legende Pelé.

Lehren/Konsequenzen: Des Kaisers Flucht in die USA bringt ihm und dessen umtriebigen Berater Robert Schwan Millionen ein. Weil der gewitzte Schwan zugleich Bayern-Manager ist, wird er am Ende des Jahres 1977 beurlaubt. Für die Nationalelf darf Legionär Beckenbauer nun nicht mehr auflaufen. Der Verein steht vor einem Umbruch – und noch unruhigeren Zeiten.

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