Kraft? Kahn ist für Neuer

In der Torwartdebatte plädiert Bayerns Ex-Torwart für Schalkes Nationalkeeper – und rät dem Talent, dennoch zu bleiben.
MÜNCHEN Dieses Spiel könnte etwas ausgelöst haben bei Manuel Neuer, eine Entfremdung etwa? 0:5 verlor Schalke letztes Wochenende in Kaiserslautern. Neuers Blick war leer, voller Frust, desillusioniert. „Wenn wir in jedem Spiel so spielen, steigen wir auf jeden Fall ab“, sagte der Nationaltorwart. Der Mann (24) ist Kapitän seiner Mannschaft. Ein Schalker durch und durch, geboren in Gelsenkirchen. Verwurzelt, fanverbunden. Sein Vertrag läuft bis 2012.
Und ab Sommer 2011 spielt er beim FC Bayern. So war es zumindest einmal die feste Absicht der Verantwortlichen (Vorstandsboss Rummenigge: „Neuer ist ohne Frage ein erstklassiger Torwart“) an der Säbener Straße. Trainer Felix Magath, selbst angezählt, kämpft noch ehrenhaft: „Ich glaube Manuel auch dann halten zu können, falls wir unser Ziel, einen europäischen Wettbewerb, nicht erreichen sollten.“
Dagegen spricht: Nur nächstes Jahr könnte das klamme Schalke eine – womöglich zweistellige – Millionenablösesumme erzielen. Die Bayern-Bosse spielen daher auf Zeit, ihr Druckmittel heißt Jörg Butt (36), der erneut eine konstant gute Saison spielt und sich vorstellen könnte, noch ein Jahr dran zu hängen. Doch Ex-Bayern-Torhüter Oliver Kahn ist sich sicher: Neuer kommt. „Ich glaube, dass der FC Bayern am liebsten die Nummer eins der Nationalelf im Tor haben will“, sagte Kahn der AZ, „sie müssen diese extrem wichtige Position mit einem Mann mit Perspektive besetzen.“ Wird die Partie am Samstag (18.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) das letzte Heimspiel von Neuer gegen den FC Bayern? In einer prekären Situation. „Das ist für seine Karriere auch mal nicht so schlecht“, sagte Kahn, „das bildet einen Klasse-Keeper aus, sonst wirst du nicht Weltklasse. Er hat alle Voraussetzungen, dieses Niveau zu erreichen.“ Das Bayern-Niveau.
Das Problem: Immer wieder hatte Neuer den Schalke-Fans seine Treue geschworen. Kahn: „Das war damals bei mir in Karlsruhe als so genanntes Eigengewächs ähnlich. Die Frage, die er sich stellen muss, ist doch: Brauch' ich das? Dort reden einem alle ein: Du bist ein echter Schalker Junge, du gehörst zu uns. Aber will er nicht lieber raus zu einem ganz großen Klub?“
Kommt Neuer, könnte Butt, dem der Posten des Jugendkoordinators nach Karriereende versprochen ist, als Stand-by-Keeper bleiben. Und Thomas Kraft (22), der für viele im Verein als das größere Talent im Vergleich zu Michael Rensing gilt? Krafts Vertrag endet 2011, Louis van Gaal hält viel von dem Mann, der mit 18 nach München kam. Kommt Neuer, rät Kahn jedoch Talent Kraft, nicht zu gehen. „Ich würde an seiner Stelle nicht wechseln. Auch von Neuer könnte er sich etwas abschauen, weiter lernen – eine Art Bildungsmaßnahme. 22 Jahre ist doch kein Alter, in dem man die Nummer eins im Tor bei Bayern sein muss.“ Kahn war 25, als er 1994 vom KSC an die Säbener Straße wechselte. Doch droht Kraft dann nicht zum zweiten Fall Rensing zu werden: Erst das lange Warten, dann der plötzliche Druck? „Michael war ein Mega-Talent. Es tut mir leid, dass er jetzt keinen Verein hat“, sagt Kahn, „aber als Bayern-Torwart musst du so viel mentale Stabilität mitbringen, das können nur ganz wenige. Es ist enorm schwierig, auf dieser Schlüsselposition, bei diesem Verein so einen jungen Mann reinzuwerfen. Das kann nach hinten losgehen.“ Siehe Rensing. Also wird ein Neuer kommen: Manuel Neuer.
Patrick Strasser