Koan Neuner: Können Bayern oder Dortmund so Meister werden?
München - Es ist ein stürmisches Experiment, das es in dieser Konsequenz so wohl noch nie gegeben hat: Mit dem FC Bayern und Borussia Dortmund versuchen es die beiden Topfavoriten der an diesem Freitag beginnenden Bundesliga-Saison erstmal ohne einen echten Mittelstürmer.
Der Rekordmeister, weil er es genau so will und nach dem Abgang von Robert Lewandowski zum FC Barcelona bewusst keinen Neuen fürs Sturmzentrum verpflichtet hat. Der BVB gezwungenermaßen, da Neuzugang Sebastién Haller, der für den zu Manchester City gewechselten Erling Haaland geholt wurde, wegen eines bösartigen Hodentumors, der operiert wurde, monatelang ausfällt.
Koan Neuner – kann das wirklich gut gehen? Die Statistik sagt ganz klar: neun, beziehungsweise nein!
Die Meister hatten immer einen echten Knipser vorne
Kein Meister der letzten 20 Jahre, der nicht mit einem echten Mittelstürmer gespielt hätte. Bei den mittlerweile zehn Bayern-Titeln in Folge knipsten Lewandowski und vor seiner Zeit in München Mario Gomez und Mario Mandzukic. Und selbst als die Münchner noch kein Dauer-Abo auf die Schale hatten, selten auch anderen Klubs wie dem BVB (Lewandowski) VfL Wolfsburg (Edin Dzeko, Grafite) oder VfB Stuttgart (Gomez) den Vortritt lassen mussten, kam keiner dieser Konkurrenten ohne einen Knipser an vorderster Front aus.
Für Klaus Fischer ist das keine Überraschung: "Ich kann mich an überhaupt keinen Deutschen Meister erinnern, der es je ohne klassischen Mittelstürmer geschafft hätte", betont die 72-jährige Stürmer-Legende (266 Bundesliga-Treffer, Platz drei in der ewigen Torschützenliste) gegenüber der AZ.
Fischer: "Nagelsmann wird sich schon etwas einfallen lassen"
Umso spannender findet er, was gerade in München und Dortmund passiert. "Ich glaube nicht, dass Lewandowski bei Bayern so einfach zu ersetzen ist. Aber Julian Nagelsmann wird sich schon etwas einfallen lassen. Bayern muss vorne nun viel variabler spielen, dass das klappen kann, hat man ja jetzt beim Supercup in Leipzig (5:3-Sieg, d. Red.) gesehen."

Fischer: Bayern ist auch ohne Lewandowski top aufgestellt
Mit Serge Gnabry, Leroy Sané, Thomas Müller und vor allem Weltklasse-Neuzugang Sadio Mané sieht Fischer die Bayern offensiv sehr gut aufgestellt – den BVB ohne Zielspieler Haller eher weniger. Deshalb ist es für Fischer auch nicht ausgeschlossen, dass "die Dortmunder auf dieser Position noch etwas machen werden". Aktuell werden der Ex-PSG-Star Edison Cavani (35, vereinslos) und Memphis Depay, der den FC Barcelona verlassen soll, gehandelt. Aber selbst bei einer geringen Ablöse liegt der Holländer mit einem Barca-Gehalt von rund zwölf Millionen Euro sehr wahrscheinlich über der Dortmunder Schmerzgrenze.
Die ist für Fischer beim Blick auf die Nationalelf schon längst erreicht. Dass Bundestrainer Hansi Flick weiterhin ohne echte Neun auskommen muss, hält der ehemalige DFB-Angreifer für eine Bankrott-Erklärung für die einstige Stürmer-Nation Deutschland. "Ich bin sehr gespannt, wie Hansi Flick das bei der WM lösen will", sagt Fischer und bringt einen Mann von seinem Herzensklub Schalke ins Spiel, dem er diese Rolle zutrauen würde: Zweitliga-Tormaschine Simon Terrode. "Wenn der jetzt auch in der Bundesliga trifft, könnte ich mir schon vorstellen, dass Hansi ihn noch mit nach Katar nimmt. Denn ohne Mittelstürmer wird's schwer." Das hat ja nun selbst der FC Barcelona eingesehen...