Klopp: Machtwechsel? Nicht doch!
DORTMUND Am Morgen danach war der Übermut groß. So groß, dass Norbert Dickel, Dortmunder Stadionsprecher und Kultfigur, in Lederhosen auf dem BVB-Trainingsgelände erschien. Solchen, die der BVB den Bayern am Abend zuvor ausgezogen hatte, sollte das wohl heißen. Was für eine Gaudi! Dickel war aber auch der einzige BVBler, der sich nach dem Triumph gegen den FC Bayern zu offensichtlicher Schadenfreude hinreißen ließ. Ansonsten galt trotz sechs Punkten Vorsprung in der Tabelle: Ball schön flach halten!
Oberster Flachhalter: Meistertrainer Jürgen Klopp. Nach dem wilden 1:0 stand er vor der bebenden Südtribüne des Stadions, formte mit den Händen ein Herz Richtung Fans und erklärte die Geste später so: „Wir sind alle ein bisschen verknallt in diesen Verein. Das muss man ab und zu mal rauslassen.” Am Morgen danach fand er für den Verlierer des Gigantengipfels nur lobende Worte: „Allergrößten Respekt! Keine Häme!” Und die besten Wünsche fürs Halbfinale gegen Real Madrid! „Das einzige Problem, das Bayern in dieser Saison hat, ist, dass wir so viele Punkte haben”, sagte Klopp, der die Schlussphase als „eine der außergewöhnlichsten der Fußballgeschichte” bezeichnete. Klopp weiter: „Es schien, als hätte es so sein sollen. Das Ergebnis ist aber das richtige für das Spiel. Die Frage war: Wer löst die Probleme des Spiels besser? Und da waren wir dieses eine Tor besser.”
Von einer dauerhaften Wachablösung nach dem vierten Sieg in Serie gegen die Bayern wollte Klopp natürlich nichts wissen: „Wenn du nur einen Tick schlechter spielst, kriegst du gegen die auf die Ohren. Und das wird auch noch ein paar Jahre so bleiben.” Ins exakt gleiche Horn blies sein Kapitän: „Einen Machtwechsel wird es auf Jahre hinweg keinen geben”, sagte Sebastian Kehl, „dafür haben die Bayern eine zu gute Stellung. Aber wir bleiben in unserer Bescheidenheit auf dem richtigen Weg.”
Dass diese Bescheidenheit und nassforsche Unverbrauchtheit im Land gut ankommt, steht wohl außer Frage, wird vom Oberflachhalter Klopp aber dennoch in Frage gestellt. Falls neutrale Fans eher Dortmund statt Bayern die Daumen drücken sollten, dann nur, „weil die Bayern eh schon genug gewonnen haben”, glaubt Klopp. Wohl wahr: Nach Meistertiteln steht es 22:7 für den FC Bayern. Noch.
Beim Rekordmeister ist man sich bewusst, dass es sich beim Phänomen BVB längst nicht mehr um eine Eintagsfliege handelt. Sportdirektor Christian Nerlinger, gebürtiger Dortmunder und von 1998 bis 2001 selbst Borusse, rang sich ein Kompliment für den Konkurrenten ab: „Sie sind auf einem herausragenden Weg, haben sich gegen uns mit Disziplin und Laufbereitschaft präsentiert, sind auch taktisch stark. Außerdem agieren sie sehr klug auf dem Transfermarkt. Es zeichnet sich für die Zukunft ein Zweikampf in Deutschland zwischen uns und dem BVB ab.”
Das nächste Duell hat schon einen Termin: 12. Mai, Olympiastadion, Berlin, Pokalfinale. Die Dortmunder werden Berliner Bären auf dem Trikot tragen, kündigte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke an. Nach Pokalsiegen steht es übrigens 15:2 für Bayern. Letzter BVB-Pokalheld? Genau: Norbert Dickel, 1989.