Klinsmanns wichtigstes Spiel?
Bayerns Trainer Jürgen Klinsmann gibt zu, man habe „ein bisschen was zu korrigieren“. Die erste Möglichkeit dazu: Gegen den VfL Bochum.
MÜNCHEN Wenn der Plan aufgeht, ist er gut. Okay, das ist im Rückblick immer so mit Plänen. Aber je höher das Risiko, desto höher die Fallhöhe einerseits, der Erfolg andererseits aber auch. Jürgen Klinsmann hat einen Plan, einen ganz konkreten. Dafür geht er über Niederlagen. Einkalkulierte Niederlagen.
Denn eine derartige Umwälzung, eine Umstrukturierung funktioniert nicht reibungslos. Schon gar nicht bei einem Verein wie dem FC Bayern, bei dem Werte wie Tradition und Kontinuität immer noch hoch gehalten werden. Klinsmann („Ich werde manchmal zum Workaholic“) hat sich voll und ganz dem Projekt FC Bayern verschrieben, einem langfristigen Projekt. Kurzfristigen Misserfolg wie der holprige Start in die Bundesliga mit nur acht Punkten aus sechs Spielen und zuletzt zwei Pleiten hat er dabei einkalkuliert. Damit soll aber nun genug sein, im Heimspiel am Samstag gegen den VfL Bochum „haben wir ein bisschen was zu korrigieren“, kündigte der Coach an. Bei allem Weitblick – die Bayern sind angespannt. Das verrät Zé Robertos Aussage: „Das ist das wichtigste Spiel, seit Jürgen Klinsmann hier die Arbeit als Trainer aufgenommen hat.“
Ein Spiel, das einen Trend setzt. Vor allem, weil wegen der beiden Länderspieltermine das nächste Bayern-Spiel erst in zwei Wochen stattfindet. Für Klinsmann ein überschaubarer Zeitraum, er setzt auf eine Langzeit-Strategie. So hat er das auch als Bundestrainer gemacht. „Beim DFB konnte ich nicht Schritt für Schritt vorgehen, ich musste schnell handeln, ohne Kompromisse, es ging damals drunter und drüber“, sagte er im Rückblick über seine DFB-Zeit. Dazu gehörten: Die Absetzung von Torwarttrainer Sepp Maier, die Ablösung von Kapitän Oliver Kahn samt Installation des Nachfolgers Michael Ballack und die Entscheidung pro Jens Lehmann als Nummer eins – alles unpopuläre Maßnahmen, stark risikobehaftet. Am Ende stand ein WM-Sommermärchen und ganz Deutschland taumelte im WM-Rausch.
Ganz bewusst provoziert er die Mannschaft, reißt sie aus alten Gewohnheiten raus. Er agiert als Agent Provocateur. Ein starres Spielsystem wie unter Vorgänger Ottmar Hitzfeld? Passé. Das stereotype 4-4-2 ist nur noch eine alternative, nicht mehr das ausschließlich eingesetzte Format. Klinsmann möchte Variabilität, Flexibilität – ein schnelles, situationsbedingtes Umschalten von 4-4-2 auf 3-5-2 oder 5-3-2. Dazu kommt die Extrem-Rotation, jeder darf mal, jeder bekommt seine Chance. Keiner soll sich zu sicher fühlen – als wäre eine Stammelf ein antiquierter Gedanke. Und die Unfehlbarkeit eines Kapitäns ein Relikt vergangener Tage. Wer schlecht spielt, ist draußen. Ob er nun die Binde am Arm trägt oder nicht. Siehe den Fall Mark van Bommel.
Patrick Strasser