Klinsmann spaltet die Fans

Mit Schmähgesang verhöhnt ein Teil des Anhangs den erfolglosen Bayern-Trainer – und erntet trotz des Aus gegen Barca unerwartet Widerspruch.
von  Abendzeitung
Zwischen Klinsmann und den Fans tut sich ein Graben auf.
Zwischen Klinsmann und den Fans tut sich ein Graben auf. © dpa

MÜNCHEN - Mit Schmähgesang verhöhnt ein Teil des Anhangs den erfolglosen Bayern-Trainer – und erntet trotz des Aus gegen Barca unerwartet Widerspruch.

In der Not klammert sich der Mensch an Erinnerungen. Und Sehnsüchte. Wenn er nicht weiterweiß, kommen ihm die guten, alten Zeiten in den Sinn, er ruft nach den alten Helden. So geschehen am Dienstagabend in der letzten Viertelstunde des Champions-League-Spiels der Bayern gegen den FC Barcelona.

Es stand 1:1, die Sache war durch. Die Elf von Jürgen Klinsmann hatte wieder einmal nicht die Erwartungen – schon gar nicht die Versprechungen des Trainers – erfüllt. Die Fans in der Südkurve feierten Klinsmanns Vorgänger Ottmar Hitzfeld („Du bist der beste Mann!“). Anschließend steigerte sich der Hohn von Gesang zu Gesang, sogar Drittliga-Coach Hermann Gerland und Udo Lattek, den altehrwürdigen Trainer der 70er und 80er Jahre, ließen sie hochleben. Der Gipfel der Provokationen für Klinsmann: Die Kurve feierte Lothar Matthäus. Was in etwa so wäre, als würden die versammelten Mitglieder eines CSU-Parteitags Franz Müntefering oder gar Oskar Lafontaine feiern.

Als einige Zuschauer den aktuellen Coach verhöhnten, gab es aber auch Pfiffe und Buh-Rufe von den Rängen. Klinsmann spaltet die Fans. Auch am Tag danach waren die Meinungen höchst unterschiedlich, als sich die AZ umhörte. „Ich halte von den Schmähgesängen nichts, weil wir weitere Störfeuer nicht brauchen können“, sagte Hansi Gehrlein vom Fanclub „Die 13 Höslwanger“. Er meinte: „Alle gehören zusammen: Fans, Mannschaft und der Trainer. Wir haben doch ein gemeinsames Ziel vor Augen – und das ist die Deutsche Meisterschaft.“ Massimo Ferraro (Fanclub Red Hearts) dagegen versteht den Ärger der Fans: „Über den Matthäus-Provokationen muss Klinsmann drüberstehen. Das ist eine normale Geschichte. Ende der Saison muss er weg, weil er einfach nicht zum FC Bayern passt.“

Es gab schon vor der Partie Unruhe in der Kurve, weil der Ordnungsdienst des FC Bayern manchen Fans entgegnete, dass Anti-Klinsmann-Transparente jeglicher Art verboten seien. Es kam zu kleineren Rangeleien, Polizisten nahmen Personalien von Fans auf, wollten die Transparente konfiszieren – am Ende durften die Fans ihre Plakate aber doch mit nach Hause nehmen. Es hatte sich also eine Menge Ärger aufgestaut. Markus Jarasch vom Fanclub „Mecki's Bazis“ fand die Matthäus-Gesänge genau richtig: „Wir wollten damit zeigen, dass Klinsmann hier nicht mehr erwünscht ist. Matthäus ist Klinsmanns Intimfeind und wir sind ihm sehr dankbar für das, was er geleistet hat für den Verein – im Gegensatz zu einem Klinsmann, der dem Verein nur Schaden gebracht hat. Ich hoffe, dass ihn die Matthäus-Gesänge getroffen haben – und dass Klinsmann nun erkennt, dass er hier den Hut nehmen soll.“

Was eben nicht alle so sehen. „Ich bin weiterhin für Klinsmann“, sagte Tanjeff Schadt („Rudelbildung München 06“) und erklärte: „Man hat sich vor einem Jahr für das Projekt Klinsmann entschieden und jetzt kann man nicht nach einem Dreivierteljahr sagen, dass alles gescheitert ist und ,Klinsmann raus!’ fordern. Es war klar, dass er tief in die Strukturen eingreifen würde. Vor allem nicht nach Personalentscheidungen wie im Fall Rensing, die längst überfällig waren. Klinsmann soll bleiben, auch über die Saison hinaus. Die niveaulosen Matthäus-Gesänge haben gezeigt, dass da Leute sind, die nicht wissen, was sie sagen.“

Klinsmann sagte, er habe sogar „Verständnis“ für solche Leute, obwohl es „sicher nicht angenehm“ sei und ihm „weh tut“. Er wies darauf hin, dass „es nicht sehr viele waren“. Aber wohl doch immer mehr werden.

Patrick Strasser, Reinhard Franke

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